Ich denke, dass letztlich Connery den weitesten Weg geht, sowohl was seine Darstellung als auch den Ton seiner Filme betrifft. Zwei verhältnismäßig geerdeten Filmen mit einem ernsthaften Protagonisten folgen zwei Superagenten-Streifen mit dem Archetypen der Coolness, bevor die Reihe gewissermaßen abhob – YOLT startet nicht umsonst direkt im All – und im besten Sinne zum Zirkus wurde, in der Bond Beteiligter wie Conférencier zugleich ist, weshalb Connerys häufig als lustlos kritisiertes Spiel absolut passt - stets liefert er absolut auf den Punkt, was der jeweilige Film braucht. Auch wenn Connerys Bond nie so menschlich war wie Daltons oder Craigs, ist er noch in FRWL eine recht glaubwürdige Figur in einem halbwegs plausiblen und stringenten Plot – für DAF gilt beides nicht mehr, und anders als YOLT will hier auch an überhaupt keiner Stelle ein wirkliches Bedrhungsgefühl aufkommen. Deshalb ist das wohl die größte Diskrepanz für mich – sowohl inhaltlich wie vom Inszenierungs- als auch vom Darstellungsstil her. Der Weg ist aber absolut konsequent, deshalb mag es nicht gar so krass erscheinen.
Moores Weg ist lustigerweise – wenn man bedenkt, wie oft man versucht hat, Connery gegen ihn auszuspielen – gerade in der ersten Hälfte Seans Ära sehr ähnlich: Auf zwei eher geerdete Filme mit einem Moore, der sich sichtbar noch an der Connery-Figur orientiert, folgen zwei Superman-Filme, bevor in der Spätphase ein neuer Ton eingeschlagen wird. Dennoch erscheint auch mir Moores Bond selbst nicht so großen Änderungen unterworfen zu sein – der Bond aus LALD ähnelt dem aus OP mehr als der frühe dem späten Connery. Und einige Unterschiede haben eher äußere Gründe:
Speziell Moores unterschiedlicher Umgang mit den Bondgirls im Laufe seiner Ära ist v. a. seinem immer sichtbareren Altern geschuldet. Auch wenn Bonds Alter bei EON bis zu Craig kein Thema war – anders als in NSNA –, erkannten die Produzenten offensichtlich, dass man die Beziehungen oder Nicht-Beziehungen eines sichtbar deutlich über 50-jährigen zu seinen erheblich jüngeren Partnerinnen anders darstellen musste als bisher. Deshalb das onkelhafte Verhalten gegenüber der frühreifen Göre in FYEO – ich würde sogar behaupten, dass die einzige Funktion der betont jungen Bibi ist, die Beziehung des Hauptdarstellers mit der gleichfalls bedeutend jüngeren, aber immerhin erwachsenen Melina zu rechtfertigen. Ähnlich erklärt sich auch die reifere Partnerin in OP – geschickterweise besetzt mit einer Schauspielerin, die als Moores Partnerin bereits innerhalb des Franchise etabliert war, wenn auch in einer anderen Rolle. Und so erklärt sich zu guter Letzt das „verantwortungsvolle“ Verhalten gegenüber Stacey, dem Haupt-Bondgirl in AVTAK. Am Ende kommt es zwar doch noch zu Zärtlichkeiten, aber dies ist als Bestandteil der damals obligatorischen Schlusspointe gewissermaßen von der Handlung abgekoppelt. Alles in allem also kein wirklicher Wandel, sondern behutsame Anpassung der Formel an den Hauptdarsteller, dem anders als seiner Figur die Zeit etwas anhaben konnte. Am besten hat sich hier sicher OP aus der Affäre gezogen.
Dass dieser Fürsorgeaspekt auch noch in TLD spürbar ist, erklärt sich damit, dass der Film noch vor Daltons Verpflichtung geschrieben wurde. Ich glaube durchaus, dass das Drehbuch mit 2-3 Dialogänderungen problemlos Grundlage eines Moore-Bonds hätte sein können, auch wenn das stimmungstechnisch ein ganz anderer Film geworden wäre. (Ebenso würde FYEO als eine deutlich entschiedenere Abkehr vom gesamten 70er-Jahre-Bond erscheinen, wenn hier bereits ein neuer, "ernsterer" Darsteller übernommen hätte, sei es Dalton oder Lewis Collins oder wer auch immer. Moore federt die in der PTS explizite Anknüpfung an die 60er durch seine bloße Anwesenheit ab.)
Auch wenn TLD noch manch Mooriges Erbe enthält, wirkt der Dalton-Bond für mich wie aus einem Guss. Daran sieht man wieder – wie auch am obigen Gedankenspiel zu FYEO –, wie sehr die Stimmung eines Bond-Films von seinem Hauptdarsteller abhängig ist. Der Bond, der in TLD nach Saunders' Tod den Ballon zum Platzen bringt und dann zornentbrannt die Verfolgung Necros' aufnimmt, bei der er sogar versehentlich die Waffe auf eine Mutter und ihr Kind richtet, ist exakt der gleiche Bond, der in LTK seine Vendetta startet – die er dann allerdings mit genau denselben Methoden ausführt, die man von ihm gewohnt ist. LTK ist zweifellos der entschiedenere Film, doch seine Hauptfigur ist der Agent aus TLD und kein anderer.
Bei Craig kann ich auch keine allzu große Diskrepanz feststellen. Wir haben die Lücke zwischen QOS und SF – schwupp ist aus dem Anfänger ein Agent scheinbar am Ende seiner Karriere geworden. Doch stimmungstechnisch sind die Unterschiede nicht zu gewaltig. In jedem Film ist Bond - ob jung oder gereift - emotional sehr involviert (in SP weniger durch den großen Bruder als durch die (behauptete) intensive Beziehung zu Madeline und die Rückverweise auf die früheren Craig-Filme) und zumindest einmal in einer Ausnahmesituation, auch wenn SP sehr darum bemüht ist, Bond als wieder etwas distanzierteren Mr. Cool neu zu etablieren. Natürlich sticht QOS inszenatorisch von den gediegen-elegisch inszenierten anderen Craigs ab, aber inhaltlich werden hier durchweg die Themen der Craig-Ära verarbeitet, und sein finaler Umgang Verzicht auf Bondsche Selbstjustiz ist derselbe wie später in SP – nur in gut.
Brosnan hat selbst im Vergleich zu Dalton und Craig eine geradezu gleichmäßige Ära vorzuweisen (wenn man bei Dalton denn von einer Ära sprechen kann). Zwar mag TWINE ein wenig ambitionierter sein, und sicher sind bei DAD dafür die Zügel durchgegangen, aber: Bond ist in diesen vier Filmen immer derselbe, lediglich Brosnans Spiel wird ab TND souveräner. Die größte Diskrepanz sehe ich deshalb wie Martin innerhalb der einzelnen Filme, doch sind diese Umschwünge stets innerhalb solcher Grenzen, dass der jeweilige Film in seiner Gesamtheit nicht kippt. Wenig überraschende Ausnahme: DAD, noch genauer: die Folterszenen während der Titelsequenz und die Behandlung Bonds durch M nach dem Austausch auf der einen Seite, der komplette Rest auf der anderen, sobald Bond – in einer Szene, die ich in ihrer unbeschwerten, ja dreisten Albernheit heiß und innig liebe – das Hotel im Crusoe-Look betritt und seine übliche Suite verlangt, ohne dem Portier mit seinem Auftritt auch nur eine gehobene Moore-Gedächtnisaugenbraue zu entlocken. Der Eindruck der Groteske, zu der sich DAD über weite Strecken entwickelt, wird noch verstärkt durch diesen beschwingten Bruch zu den Szenen im Folterkeller (wobei viele in Madonnas Begleitmusik die schlimmste Foltermethode erkennen mögen). Diese Szenen wirken nach der Over-the-Top-PTS erst wie ein Schock, woraus man durchaus etwas hätte machen können – doch alles, was hier angeschnitten wird, ist letztlich nicht nur unpassend, sondern völlig überflüssig, und die späteren Schwarz-Weiß-Reminiszenzen weisen sie in diesem bunten Spektakel noch zusätzlichen als den Fremdkörper aus, der sie sind. Die Folter „macht“ nichts mit Bond, er streift sie ab wie seine Lumpen und den Zottelbart – und auch Ms Misstrauen bleibt ein weitgehend blindes und verschenktes Motiv. Deshalb gebührt meines Erachtens DAD für sich allein zumindest eine „lobende“ Erwähnung im Rahmen von Martins Fragestellung.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Feirefiz« (6. September 2017, 22:09)