Ich muss gestehen, dass ich die Entwicklungen rund um
Bond25 bei Eon Productions Ltd. schon seit längerem mit großer Sorge betrachte. Mein Enthusiasmus für Bond ist – wie ich ehrlicherweise eingestehen muss – in den letzten Jahren (und insbesondere seit 2016/17) immer weiter abgekühlt. Das ist auch mit ein Grund, wieso ich mich auch hier im Forum jetzt schon länger nicht mehr aktiv beteilige. Natürlich war es auch eine schmerzliche Erfahrung, dass diese einst so rege und diskussionsfreudige Plattform in den letzten Jahren immer stiller wurde und gegenwärtig quasi verwaist ist, aber das war nicht der letztendlich maßgebliche Grund für meinen Rückzug. Nein, ich habe mich anderen Interessengebieten und Fanobjekten zugewandt. 007 hat schon länger keine Spitzenposition mehr bei mir inne und packt mich einfach nicht mehr so sehr wie früher. Das bestätigte sich auch abermals, als ich in den letzten Wochen hier im Forum stöberte und erneut – 2 ½ Jahre nach
Spectre – noch immer keine greifbaren News zum nächsten, hoffentlich irgendwann kommenden Serieneintrag vorfand.
Mein persönlicher Eindruck ist, dass das Chaos, das bei der Produktion des 24. Eon-James Bond-Films für viele Probleme und ein – aus Sicht mancher Fanfraktionen – halbgares Franchise-Werk sorgte, noch immer nicht überwunden ist. Die Produzenten sind völlig unentschlossen und fahren nur noch auf Sicht. Von langfristigen Planungen, Konzepten oder gar einer Vision für die Zukunft keine Spur. Nun mag man zurecht einwenden, dass es schon immer zur Praxis der Bondmacher gehörte, von Film zu Film denken, und in der praktischen Arbeit gibt dieses Vorgehen den Produzenten vermutlich auch Recht; gleichzeitig muss man jedoch auch konstatieren, dass der zweiten Produzenten-Generation wirklich klare Vorstellungen und echter Enthusiasmus für die Sache immer mehr abhanden kam, je länger sie im Sattel saß. Cubby Broccoli hat zum Beispiel früh angefangen seine Kinder in die Produktion einzuarbeiten. Und Michael G. Wilson und Barbara Broccoli hatten auch schon früh verantwortungsvolle Aufgaben inne. Aktuell sehen wir jedoch, dass sich in diesem Bereich des Generationenumbruchs wenig bis nichts tut. Barbaras Kinder haben scheinbar keine Interesse an Bond und Michaels Söhne Gregg und David G. Wilson waren in der jüngeren Vergangenheit zwar immer wieder in Kredits gelistet und hinter den Kulissen involviert, aber sie bleiben weitgehend unsichtbar und der neutrale Beobachter hat nicht den Eindruck, dass einer der Beiden in naher Zukunft zum Co-Produzenten aufsteigen würde. Michael G. Wilson wird dieses Jahr immerhin schon 75 Jahre alt und scheint sich immer mehr aus dem Geschäft zurückzuziehen. Eigentlich müsste ein Umbruch jetzt erfolgen.
Aber es scheint seit jeher Barbara Broccoli zu sein, die in der zweiten Produzenten-Garde das Sagen hat und das Heft des Handelns in den Händen hält. Und genau das scheint Teil des Problems zu sein. Anders als ihr Vater, der ab dem Moment, wo die Serie erfolgreich und dauerhaft lief, all seine Energie in Bond steckte, scheint bei seiner Tochter, je länger sie in der Verantwortung ist, das Pendel in die andere Richtung auszuschlagen. Bisweilen bekommt man den Eindruck, dass Barbara Broccoli mittlerweile mehr Zeit und Herzblut in die Entwicklung anderer, unabhängiger Filmprojekte investiert, als in das von ihrem Vater geerbte glorreiche, aber scheinbare immer mehr zur Last fallende Bond-Erbe. Als symptomatisch kann man hier gewissermaßen den Start der offiziellen Eon Productions Ltd.-
Website sehen, auf der James Bond – das Aushängeschild der Firma – nur eine beliebige Untersektion neben vielen anderen ist. Der Anspruch scheint klar: Wir haben jahrzehntelang 007 gemacht, aber jetzt möchten wir uns als Filmproduktions-Unternehmen breiter, offener und abwechslungsreicher aufstellen. Im Grunde war die Verpflichtung von immer mehr Arthouse-Regisseuren ab dem Ende der 90er Jahre im Franchise-Kontext schon ein Fingerzeig: Eon giert nach Kritikerlob. Die Produzenten wollen sich und ihre Firma endlich für höhere Weihen empfehlen. Und das geht freilich nur mit verschiedenen, anspruchsvollen Filmprojekten und einem breiter gefächerten Produktionsportfolio.
Für die Bond-Serie bringt das jedoch – wie die jüngere Vergangenheit und das aktuelle Treiben veranschaulicht – zwei gravierende Probleme mit sich. Das erste Problem ist der Faktor Zeit. Mit immer mehr Professionalisierung, mit immer mehr Aufwand, mit immer mehr Bürokratie und mit immer länger dauernden Produktionszeiten (vor allem die Vorbereitung und die Nachbearbeitung einer Filmproduktion gestaltet sich gegenüber frühen Dekaden heutzutage deutlich komplexer und langwieriger) verzögern sich auch die Bondfilme immer weiter bzw. werden über einen Vergleichszeitraum immer weniger Streifen innerhalb einer Dekade abgedreht. Krisen wie bei MGM anno 2010 sind da eher punktuelle Ausreißer. Die wirklichen Verzögerungsprobleme liegen im langfristigen Bereich. Zu diesen Faktoren kommt die (Teil-)Fokussierung auf ein vielfältigeres Unternehmensprofil und weitere Filmprojekte noch erschwerend hinzu. Während Michael G. Wilson nur noch die laufenden Geschäfte abzuwickeln scheint, stürzt sich Barbara Broccoli augenscheinlich mit deutlich mehr Begeisterung und Herzblut in ihre künstlerisch-hochwertigen Filmprojekte, als den neuen Bondfilm mit Inbrunst zu forcieren. 007 – so scheint es – läuft nur noch nebenher.
In diesem Kontext darf man einen Aspekt nicht außer Acht lassen: Generationen. Wie bei den Produzenten der Filme, ist das auch auf Seiten der Konsumenten der Bondstreifen ein bedeutsames Thema. Anders als viele andere Formate, Franchise und Serien wie Marvel, DC, Harry Potter, Star Wars und Co., die ihre Fans und Zuschauer dauerhaft mit News, Events und vor allem immer neuen Filmbeiträgen füttern, schlägt auch hier seitens Eon das Pendel eher in die andere Richtung aus. Selbst die Gerüchteküche zwischen den Filmen brodelt nicht mehr annährend so stark wie in früheren Tagen, so dass der geneigte Bondfan – bei zeitlich immer weiter auseinanderliegenden Serieneinträgen – sich gegenüber anderen Fandoms bisweilen wie ein Komapatient vorkommt, der erst zum Beginn der Dreharbeiten zum kommenden Film wieder wirklich aufwachen darf. Diese Politik der Bondmacher erscheint auf längere Sicht sehr kurzsichtig, weil sich die Zeiten eben ändern. Eon verfährt so, weil man eben immer so verfahren ist. Heutzutage bleiben die Menschen aber nicht mehr so lange bei der Sache, man muss sie bei der Stange halten. Das gilt auch für die Arbeitsweise und Kommunikation von Filmunternehmen.
Der geneigte Bondfan wendet an diesem Punkt immer gerne ein, dass er damit kein Problem hat, weil er lieber einen sehr guten Franchise-Beitrag haben möchte, als zwei mittelmäßige Filme in der gleichen Zeitspanne und dass dieser längere Prozess überhaupt für Eon sprechen und zu einem besseren Filmergebnis führen würde; die ganzen Comic-Streifen würden doch nur vollkommen industriell und seelenlos heruntergekurbelt. Diese Argumentation hat jedoch einen Haken; nein, genau genommen sogar mehrere. Beim Stichwort "Generationen" muss man beachten, dass die anderen Marken ihre Konsumenten durch immer neues Futter bei Laune halten, wohingegen Bond mittlerweile nur noch alle Jubeljahre mit einem jahrmarktartigen Eventfilm daherkommt und danach wieder für vier Jahre in der Versenkung verschwindet. Das ist einfach zu wenig, als dass viele jüngere Zuschauer auf diese Weise langfristig an das Franchise zu binden wären und so wird das Bond-Fandom ob kurz oder lang ein Riesenproblem mit dem Nachwuchs bekommen. Schon jetzt ist ein Großteil der Bondfans und Bondzuschauer – das zeigen auch Statistiken wie bei der IMDB – über 40 Jahre alt. Jüngere Zuschauer schauen sich Bondfilme zwar an, aber sie bleiben tendenziell weniger als Dauerkonsumenten bei der Sache, weil Bond unserer schnelllebigen Zeit entsprechend eben nicht dauerhaft "abliefert". Und Bond sollte eben nicht nur für die Generation 40+ funktionieren, sondern auch junge Zuschauer ansprechen können.
Ich denke, dass allein der rapide Abbau der Forenaktivität hier diesen Umstand beweist. Vielleicht wäre es mit mehr jungen Usern mit dem Forum auch bergabgegangen, aber sicher nicht so rasant wie in den letzten 3 bis 4 Jahren. Außer den Stammusern gab es nach dem Forenumzug ja praktisch keine Neuanmeldungen mehr, die sich als dauerhafte Mitschreiber entpuppten. Mag sein, dass Foren tendenziell eher out sind, aber ich kenne diverse andere Foren (mit Filmthematik und ohne) die trotzdem brummen. Diskutiert wird eben immer, wenn Leute da sind die diskutieren und vor allem, wenn es etwas zu diskutieren gibt. Auch die Argumentation "Wir wollen lieber einen guten Film als zwei mittelmäßige Streifen" zeigt diesen Generationenkonflikt. Als junger Fan denkt man über so etwas gar nicht nach. Natürlich hätte ich als Jugendlicher lieber zwei unterhaltsame Quickie-Bonds gehabt als einen bleischweren
Skyfall. Zumal ich es für eine ausgemachte Legende halte, dass längere Produktionszeiten zu besseren Filmen führen. Was nutzt es drei Jahre auf
Spectre zu warten, wenn es am Ende dann doch wieder hektisch wird und alles hingehuddelt wird? Cubby und Saltzman hätten in der gleichen Zeit ohne zu Klagen zwei Bondstreifen der gleichen Qualität produziert! Zumal das Franchise beweist, dass unabhängig von der Produktionszeit sehr gute und weniger gute Filme entstehen können.
Und damit bin ich beim zweiten gravierenden Problem angelangt, das ich ebenfalls immer massiver auftreten sehe: Die Involvierung der Kreativen hinter der Kamera. Wenn ich bereits schrieb, dass das Postulat der längeren Vorbereitung ein Mythos ist, dann gilt das auch für die Story-Entwicklung. Ein Drehbuch wird nicht besser, wenn man es immer weiterentwickelt, sondern tendenziell eher schlechter. Aus einem Erstentwurf kann man weitere Versionen generieren, aber schon nach der zweiten, dritten, maximal vierten Fassung muss man eigentlich an dem Punkt sein, guten Gewissens in die Produktion und die Dreharbeiten zu starten. Alles andere ist schlecht. Denn je weiter man das Script entwickelt, desto mehr gute Ideen bleiben auf der Strecke, desto mehr werden gute Szenen herausgestrichen oder halbherzig umgeschrieben, desto mehr wird der Storyfluss gehemmt, der rote Faden unterbrochen, dadurch Logiklöcher geschaffen und das ursprüngliche Konzept glattgebügelt und weichgespült. Im Grunde müssten die Produzenten bereits ein Dreivierteljahr nach der Auftragserteilung an den/die Drehbuchautoren ein 99% drehfertiges Buch in den Händen halten. Auch das hat früher besser funktioniert. Eben weil das Script dann schon stand und der Regisseur es umzusetzen hatte. Jetzt kann es passieren, dass der Regisseur an Bord kommt und etwas völlig anderes will.
Womit wir beim Kern der Problematik wären: Eons mittlerweile fast zwanghaften Willen einen umjubelten Arthouse-Filmemacher für den neuen Bondfilm zu bekommen, um bei den Kritikern zu landen. Als ob nicht auch ein guter, geübter Genrespezialist bei Bond eine gute Arbeit abliefern könnte?! Wenn ich ehrlich bin, kann ich nicht sagen, was an den Filmen – seit Autorenfilmer engagiert werden – im Schnitt so viel besser sein soll, als an früheren Bondstreifen. Aber nein, die Produzenten wollen unbedingt diese Hochkaräter, damit sie beim Feuilleton reüssieren können. Das gilt auch mal wieder für
Bond25. Mir scheint, Eon wollte so zwanghaft
Denis Villeneuve haben, dass die ganzen anderen Kandidaten einfach bestenfalls als Notlösungen eingeplant waren. Und als klar wurde, dass es Villeneuve wegen der
Dune-Neuverfilmung nicht macht, war guter Rat teuer. Genau wie bei den zähen Verhandlungen um den Verleih des Films ist abermals wertvolle Zeit verstrichen. Und jetzt setzt man alle Hoffnungen auf einen
Danny Boyle, der eigentlich nie einen Bondfilm machen wollte. Genau wie Mendes, der eigentlich keinen zweiten Bond drehen wollte… Auch hier stellt sich die bange Frage: Brennt denn wirklich kein Filmemacher für Bond?
Man hat fast den Eindruck, die Verantwortlichen betteln um Boyles Gunst. Und was ist das Ergebnis? Das Script von Neal Purvis & Robert Wade wird wohl in die Schublade wandern und John Hodge soll nach Boyles Vorstellungen nun eilig ein neues Drehbuch zimmern. Und natürlich kostet das wieder Zeit. Ich glaube ernstlich, dass man den 2019-Termin fast nicht mehr halten können wird. Und auch das würde Eon ein doppeltes Problem einhandeln. Nicht nur wären 2020 fünf Jahre nach
Daniel Craigs letztem Einsatz vergangen (wenn der Film dann überhaupt noch mit ihm gedreht wird), sondern man käme auch wegen 2022 arg in Bedrängnis. Denn nach dem sagenhaften finanziellen Erfolg des letzten Jubiläumsbonds
Skyfall werden Sony und MGM garantiert für diesen goldenen 60er Jahrgang wieder einen Beitrag einfordern, um überdurschnittlich gut Kasse machen zu können. Auch an eine besondere Idee Boyles glaube ich ehrlich gesagt nicht. Bisher waren alle großartigen Ideen, die die Verantwortlichen versprochen haben, am Ende nicht so viel wert, wie man es erwarten durfte. Sei es Purvis/Wades/Morgans geniales
Skyfall-Script mit der ach so großen Wendung (was war es denn nun eigentlich?…) oder die vielfach beschworene Rückkehr einer wahren Schurkenikone mit Blofeld/S.p.e.c.t.r.e. in
Spectre. Da bleibt einem am Ende nur Zweckoptimismus.
In diesem Sinne:
James Bond will return. Irgendwie, irgendwann, hoffentlich…