Auch wenn ich mich freue, eine Eloge auf LTK aus der Feder eines Fans zu lesen, der Dalton als aktiven Bond gar nicht mehr erlebt hat, finde ich es ein wenig befremdlich, auch in diesem Rahmen wieder dem Klischee des Rambo-Bond zu begegnen, das normalerweise dazu dient, die Ablehnung von LTK und partiell auch Dalton allgemein zu „begründen“, gipfelnd in der irrigen Behauptung, die Formel „Bond, James Bond“ würde in LTK nicht fallen. Falsch! Und neben der typischen Vorstellung tauchen eigentlich alle anderen Standards auf, vom „Geschüttelt, nicht gerührt“ (das war, glaube ich, erst der dritte Film, in dem Bond diese Worte selbst im Munde führte) über den obligatorischen Casino-Besuch bis hin zum bis dahin größten Auftritt Qs und dem geradezu ausgiebigen Einsatz des Bond-Themes.
Dieser Tage führten Kronsteen und ich im Begleit-Thread zum Villain-Spiel einmal mehr eine unserer mittlerweile fast zyklisch zu nennenden Diskussionen über die „Bondigkeit“ von LTK (vor einigen Monaten ausführlich auch an dieser Stelle), und obwohl wir mal wieder zu dem Schluss kamen, dass „Bondigkeit“ am Ende natürlich eine reine Gefühlskiste ist (denn wenn es nur nach dem Abhaken der Standards ginge, wäre die Ära Brosnan der allgemein anerkannte Gipfel des Franchise), will ich mir angesichts der jüngsten Beiträge erlauben, hier noch einmal meine dortigen Argumente zusammenzufassen, warum Bond sich in LTK zwar gerade im Vergleich zu der 1989 noch überaus präsenten Ära Moore kompromisslos und unerbittlich verhält, sein Vorgehen sich aber nicht substanziell, sondern eben nur graduell von seinem sonstigen Profil abhebt:
Dass Bond in LTK härter wirkt als je zuvor, liegt, wie oft und oft (und zuletzt von Daniel S.) betont, an seinem persönlichen Motiv, doch dieses unterstreicht nur seine
generell hervorstechendste Charaktereigenschaft: Loyalität – dass ihn diese gewissermaßen mit Sanchez verbindet, verleiht diesem Bond-Villain-Duell seine innerhalb des Franchises so ambivalente Brisanz, denn in anderen Filmen hätte Sanchez durchaus die Rolle eines Draco (dem ein Handeln wie Sanchez' Rache an Felix durchaus zuzutrauen wäre) oder gar Kerim Bey einnehmen können. Dennoch ist Bond auch in früheren und späteren Streifen nicht „ritterlicher“ (dies ein bewusst überspitzter Begriff Kronsteens) als in LTK. Auch in anderen Filmen offenbart er sich dem Villain nie aus freien Stücken als Gegner, er tritt – anders als in LTK, in dem er Sanchez sogar prinzipiell die Wahrheit sagt: „Ich heiße Bond und habe für die britische Regierung gearbeitet, und nun bin ich ein Problembeseitiger!“ - wiederholt unter falschem Namen und faktisch immer unter einer falschen Profession auf (er kann dem Villain ja auch schlecht sagen: "Ich bin Agent und soll Sie unschädlich machen"), bis er auffliegt. Wenn Bond z. B. in OHMSS nicht enttarnt worden wäre, hätte Sir Hilly Blofeld nach Augsburg gelockt, ihn dort verhaften lassen und erst dann, lässig die Brille abnehmend (wie Clark Kent, wenn er sein wahres Ich zeigt), gesagt: "Mein Name ist Bond." Und auch wenn er in vielen Filmen durchgehend unter seinem wirklichen Namen agiert, ist der in seiner Allerwelthaftigkeit doch auch nur Tarnung. Wie heißt es pointiert im berühmtesten aller Bond-Filme:
Goldfinger: „‘n Abend, 007!“
007: „Ich heiße James Bond.“
Auch in CR ist Bonds Aufgabe des Alias nicht dem Fair Play geschuldet, sondern dem Wissen, Le Chiffre nicht täuschen zu können, sowie seiner von Vesper kritisierten Überheblichkeit. Man kann diese erzwungenen direkten Duelle mit Fug und Recht mehr genießen als das Versteckspiel (ich genieße sie ja auch), doch dass in LTK die Mann-gegen-Mann-Duell-Situation erst im Finale gegeben ist, liegt nicht an einem qualitativ neuen, dabei besonders grausamen und hinterhältigen Vorgehen Bonds, sondern einfach daran, dass seine Tarnung ein wenig länger hält und er danach vor dem Finale keine gemeinsame Szene mehr mit Sanchez hat.
Und dass Bond Krest in die Falle laufen lässt und eigentlich vorhat, Sanchez kaltblütig zu erschießen: Zumindest mit Henchmen verfährt Bond auch sonst wenig zimperlich (siehe z. B. DN, FYEO, TWINE), und schon in FRWL assistiert er Kerim Bey bei einer lupenreinen Hinrichtung ...
An sich bietet LTK also Bond
pur – da die berufliche (mal ironische, mal desinteressierte, mal zynische, mitunter angewiderte) Distanz hier zum ersten Mal durchgehend persönlicher Involviertheit weicht. Nicht nur die Haupthandlung - schon Bonds PTS-Einsatz ist ein
Freundschaftsdienst! Auch in LTK bricht Bond eben
nicht mit seinen Prinzipien: Wenn seine Tarnung sonst dem Ermitteln dient, so dient sie ihm hier dazu, nahe genug an Sanchez heranzukommen (und dieses Sich-Nähern ist auch beim Ermitteln immer ein wesentlicher Aspekt, siehe die ganzen sportlich-spielerischen Duelle Villain-Bond vom Golfspiel mit Goldfinger bis zum Fechtkampf mit Graves; in LTK kommt Bond nicht umsonst dank seines bedingungslosen und erfolgreichen Einsatzes am Spieltisch an den Casino-Besitzer Sanchez heran). Nach Bonds
wie gewohnt unfreiwilliger Enttarnung in der Drogenfabrik weiß Sanchez zu Beginn des Showdowns genau, wer sein Feind ist. Was ihm allein Rätsel aufgibt, ist Bonds Motiv, aber das hätte am Ausgang nichts geändert. Zwar entgeht Bond seinem (wie so oft, siehe exemplarisch die Reflexionen in Austin Powers I) sicher scheinenden Tod dadurch, dass er Sanchez genau mit der Ankündigung dieser Offenbarung vom Zuschlagen abhält und gleichzeitig die Gelegenheit bekommt, selbst seine "Waffe" zu zücken ("Don't you want to know
why?"), aber machen wir uns nichts vor: Hätte Sanchez auch das schon gewusst, hätte sich Bond (wie immer) eben mit einer anderen Finte gerettet. Wenn sonst gar nichts gegangen wäre, hätte Pam zur Not die Domino gegeben ...
Und bevor ich mich irgendwo mit fremden Federn „schmücke" – die Originaldiskussion begann hier:
Das Villain-Spiel - Diskussions-Begleitthread