LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU
1963, der zweite Streich folgte zugleich. Gilt dieses Werk unter Fans und Kritikern generell zu den allerbesten Beiträgen, für viele gar in die Top 3.
Film:
Während ich Dr. No noch als eine Art Detektivfilm, dank der Ermittlungen Bonds, oder auch Abenteuerfilm, dank des tropischen Flairs, sehe, ist "Liebesgrüße" ganz klar DER Agententhriller unter den Bondfilmen.
Hier wird Spionage groß geschrieben. Bond landet mitten in die Intrigen zur Zeit des Kalten Krieges und tappt lange Zeit, wohl wissend das alles eine Falle ist, im Dunkeln bezüglich der Tatsache wer nun Freund und Feind ist. Großartig die lauernde Präsenz des blonden Spectre-Killers Grant, famos dargestellt von Robert Shaw. Immer im Hintergrund, lange Zeit die Fäden ziehend, auch wenn Planung und Organisation freilich zweier anderer toll repräsentierten Figuren namens Kronsteen und Rosa Klebb zugeordnet werden muss.
Den Film möchte ich besonders des tollen schauspielerischen Cast loben. Auch im zweiten Bondfilm werden Stunts und Action eher sparsam und wenig eingesetzt. Einige bezeichnen den Film sogar als Hitchcock-Bond. Spionagearbeit und Thrill stehen eindeutig im Vordergrund.
Auch die Actionszene als Bond auf offenem Feld vor dem Helikopter in Deckung gehen muss, wird als eine Reminiszenz der legendären Doppeldecker Szene aus eines von Hitchcocks berühmtesten Werken, nämlich "Der unsichtbare Dritte" mit dem großen Cary Grant, angesehen.
Die von vielen besten Actionszene, wenn gar nicht spektakulär in den Effekten, aber eben hart, rau, wild in der Choreografie, auf engstem Raum geht es um Leben und Tod, findet schon vorher statt:
James Bond und der blonde Todesengel Grant prügeln sich im Zugabteil. Auch hier für viele bis heute die beste Prügelszene aus den Bondfilmen.
Man sieht, Effekthascherei braucht es nicht um zu faszinieren.
Bond:
Sean Connery konnte es sogar besser als in Dr. No! Zum einen finde ich seine optische Präsenz, seinen Style, Haarschnitt hier am besten, zum anderen setzt er hier schon mehr Charme ein. Man sieht bei ihm sogar einige Male ein etwas breiteres Lächeln. Im Zigeunercamp als der Bauchtanz vorgeführt wird oder als Kerim Bey ihn darauf anspricht, ob wirklich nur die Lector von Belangen wäre, in Anspielung auf Tatiana Romanova. Von mir bekommt Bond hier einige Sympathiepunkte mehr.
Natürlich, heute wesentlich mehr als in den 60ern, sieht man es nicht so gern, wenn der Held die Dame ohrfeigt, aber ich kann es hier durchaus verstehen. Man sieht wie Bond durch Kerims Tod niedergeschlagen ist und er immer noch nicht weiß, ob Tania für die andere Seite arbeitet und ihn um die Finger wickelt, indirekt also auch mit Kerims Tod zu tun hat.
Dass James Gentleman ist und dich um die Damen kümmert, sieht man später, als er die noch bewusstlose Tania eben nicht im Zug alleine lässt um mit der Lector zu flüchten.
Da erreicht der Film sogar einen leichten romantischen Auftrieb "ich bette dich auf Rosen", für wahr.
Bondgirl:
Ich komme nicht herum dies zu beschreiben, Daniela Bianchi sieht nicht nur attraktiv aus, ich finde ihre seduktive Art und Weise erotisch. Alleine dadurch sehe ich Sie weiter vorne als Honey Rider.
Dazu kommt noch, dass Sie für mich mit Connery eben eine sehr verspielte, erotische Anziehung ausstrahlt. Sprich, das Zusammenspiel Bond und Bondgirl in diesem Film gehört für mich zu den allerbesten.
Villains:
Erstmals sehen und hören wir den Taktgeber des Unternehmens, dessen Dr. No schon angehörte: Blofeld! Interessanterweise im Abspann mit einem ? beim Schauspieler versehen. Sehr netter Gag. Fans wissen, dass es sich physischer Natur um Anthony Dawson handelte, der in Dr. No noch charismatisch Prof. Dent gab.
Er sollte seine Rolle als Blofeld noch einmal wiederholen. Für mich ist übrigens auch diese "gesichtslose" Darstellung, nur Hände, Scheitel, Hinterkopf und Stimme werden offenbart, die beste Blofeld Interpretation überhaupt. Sorry Donald, sorry Telly.
Aber Blofeld ist nur Chef, Geschäftsführer des ganzen Unternehmens. In diesem Film bekommen wir gleich mehrere Strippenzieher, die im Dienste Blofelds handeln und agieren.
In aller erster Linie Rosa Klebb, die Nr. 3 des Ganzen, dargestellt von Lotte Lenya. Wie sagt Tania zum Schluss? "Eine furchtbare Frau". Natürlich nicht im darstellerischen Sinne, aber in ihren Handlungen. Sie wählt unsere Puppen für das Spiel aus: Tania und Grant.
Grant, ich betonte es ja, welcher von Klebb auserkoren wurde Bond zu töten und die Lector zu beschaffen, auch er agiert für mich ganz weit vorne. Top 3 meiner Henchmen Liste. Physisch auf der Höhe Bonds und lange Zeit immer im Schatten, einen Schritt voraus.
Wir wollen aber nicht Kronsteen vergessen! Der Planer des ganzen Unterfangens. "Wer ist schon Bond im Vergleich zu Kronsteen?" Herrlich seine unverhohlene Selbstsicherheit und Selbstvertrauen, die schon in Arroganz übergeht. Rein optisch durch Vladek Sheybal auch eine interessante Wahl.
Helfer:
Ich lobte bereits die Schauspieler dieses Films und Pedro Armendariz macht als Kerim Bey keine Ausnahme. Ich denke auch hier, werden viele Leute nicht bestreiten wollen, dass sein Kerim Bey zu den großen, besten Helfern abseits des MI6, gehört.
Pedro Armedariz hatte da eh schon eine längere Karriere vor sich, drehte unter anderem mit dem Duke John Wayne den Klassiker "Spuren im Sand" (Three Godfathers). Und da die Darsteller einfach hervorragend ausgewählt wurden, verwundert es auch nicht, dass das Zusammenspiel Bond und Helfer, hier Kerim, besonders gut funktioniert.
MI6:
Bernard Lee und Lois Maxwell sind zum zweiten Mal zu sehen und sorgen für die berühmten Szenen, welche man aus den Bondfilmen, zumindest vor Craig, kennt. Bond erscheint zum Rapport bei M, Vorgeplänkel mit Moneypenny, Unterredung beim Chef. Das alles ist aber nie staubtrocken. Bond und Moneypenny flirten, M unterrichtet Bond, auch dass M weiß, wie seine Moneypenny tickt, herrlich.
Erstmals sehen wir hier auch das Gesicht, das dann für schon spektakuläre weitere 36 Jahre eng mit den Bondfilmen verbunden wahr und jeder kannte: Desmond Llewelyn vertrat erst Peter Burtons Major Boothroyd aus Dr. No und auch darstellerisch ist sein Boothroyd "Q" eher an Burtons Darstellung angelegt, wenngleich die Unterweisung, der Dialoganteil etwas höher geraten ist.
Die kleinen Neckereien sollten dann ab den nächsten Bondfilm Fahrt aufnehmen.
Bondgirls:
Daniela Bianchis Tania Romanova wird hier wesentlich früher eingeführt als noch Honey Rider in Dr. No, aber wir sehen doch noch eine alte Bekannte aus Dr. No. Eunice Gayson kehrte für ihre Rolle als Sylvia Trench zurück. Sie sollte wohl James' Freundin in London sein. Die Pläne änderten sich. Aber hier darf Sie noch mit Sean Connery/James Bond schmusen
Nett, dass auch darauf eingegangen wird, dass James plötzlich weg musste und Sie ein halbes Jahr gewartet hat. Man kann nur mutmaßen ob es sich James in dieser Zeit mit Honey hat gut gehen lassen.
Ansonsten sehen wir die beiden Zigeunermädchen, die erstmal um Leben und Tod kämpfen müssen, bevor James doch wählen darf, was mit Ihnen geschehen soll. Eines von diesen Mädchen, die Dame mit dem grünen Oberteil, ist Martine Beswick, die dann in "Feuerball" Paula spielen durfte.
Und auch Kerim hat eine Gespielin: Nadja Regin, die sogar nur einen Film später im Pre-Title Bond küssen durfte.
Location:
Etwas weniger exotisch als in Dr. No, dennoch wurde Istanbul nie besser aufgenommen als hier. Istanbul diente später ja noch für zwei weitere Bondfilme als Schauplatz. Man spürt die Folklore und damals hatte man tatsächlich noch das Bedürfnis gerne dorthin, da wo der Orient anfängt, zu reisen.
Dann wären wir auch beim Orient Express, irgendwie eine weitere Location des Films. Belgrad sieht man auf der Karte und von Zagreb nur den Bahnhof, wenn auch nicht in Zagreb gedreht.
Aber beim Thema Orient Express: hier entfaltet der Film für mich so richtig die besondere Atmosphäre zwischen Thrill und Romantik. War der Orient Express nicht der Inbegriff der Eisenbahn Romantik? Wollte nicht jeder einmal mit dem Orient Express reisen?
Schlussendlich wird wie zu Beginn Venedig präsentiert, wenn auch nur durch wenige Kameraeinstellungen, noch nicht so ausgiebig wie später in "Moonraker" und "Casino Royale". Was man zu sehen bekommt, verdient einen Sonderlob an Kameramann Ted Moore.
Setting/Bauten/Design:
Ken Adam setzte aus, da er an Stanley Kubricks „Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben“ beteiligt war. Somit wirkt einiges etwas schlichter, allerdings nicht minder prunkvoll. Man erinnere sich an dem toll dekorierten Schachsaal mit den Kronleuchtern, den Bodenmuster, die Wände. Oder halt auch das Zimmer in Venedig und Bonds "Hochzeitssuite". Der Rest dient hier mehr dem Realismus, wo Dr. No im letzten Drittel ja doch ein wenig in Fantasiegefilde hineinglitt.
Deshalb auch hier ein Lob an Syd Cain, der die Verantwortung übernahm.
Musik:
John Barry schuf dieses Mal den kompletten Score und das zahlte sich aus. Zwischen Romantik und Spionage, so wie Folklore kreiert er hier den ersten wirklichen Barry Bondsound.
Mal ist es schlicht das berühmte James Bond Theme, dann bindet er den Titelsong „From Russia With Love“ geschickt ein, dann geht es auch etwas spartanischer und bedrohlicher zu „Meeting in St. Sophia“ und zudem komponierte er den zweitberühmtesten Bondtrack, welcher leider seit 40 Jahren in keinem Bondfilm mehr vorkam: 007!
Genau schlicht die Nummer unseres Geheimagenten. Außer in „Feuerball“ nicht mehr so dynamisch vorgetragen wie hier, zudem gleich in zwei Variationen, später als Bond sich die Lector schnappt erklingt noch eine leicht abgeänderte Version „007 takes the Lector“.
Der von Matt Monroe vorgetragene Titelsong erklingt allerdings erst im Abspann. Genau wie bei Dr. No tönt auch im zweiten Bondfilm eine Instrumentalversion, kombiniert von einem flotteren From Russia With Love, was dann in das James Bond Theme übergeht.
Main-Title:
Wie Ken Adam pausierte auch Maurice Binder und wurde von Robert Brownjohn vertreten, der seine Sache aber auch ordentlich macht. Wie ich schon zu Dr. No schrieb, die ganz berühmten Vorspänne folgten noch. Mag sein, dass Maurice Binder keine Zeit hatte, weil nur knappe 2 Monate nach „Liebesgrüße aus Moskau“ auch Stanley Donens hervorragender Hitchcock Beitrag „Charade“ mit Cary Grant und Audrey Hepburn in den Hauptrollen, erschien, an dem eben Maurice Binder für den Main Title verantwortlich zeichnete.
Wertung des Komplettwerks:
Der Film steigt bei mir stetig. Für Kinder und Teenager ist der vielleicht zu wenig spektakulär, anhand fehlender großer Actionszenen oder einen etwas zurückgenommenen Humor. Ich denke als Erwachsener sollte man dann die Qualitäten sehen. Der Film ist in meiner Gunst auf jeden Fall noch einmal gestiegen und ich traue mich einfach:
10/10