„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben“, nickte Bond. „Wir
waren wie ein eingespieltes Team.“
„Dann ist wohl jetzt ein guter Zeitpunkt um noch einmal mit
einem Aprewski zusammenzuarbeiten“, gab Anna freundlich zurück, während der Kellner
die Getränke brachte. Als er wieder außer Hörweite war, fuhr sie fort. „Ich
hatte um 10 Uhr einen Termin bei Bates, du warst um 11 Uhr bei ihm, nicht wahr?
Ich habe dich gesehen.“ Bond nickte. „Unheimliche Menschen dieser Bates und
seine Sekretärin, nicht wahr? Ich nehme an, ihr wisst über die Agentur Argus
und ihren Inhaber auch nicht mehr als wir, oder?“
„Nein“, schüttelte Bond bedauernd den Kopf und nahm einen
Schluck vom Milchkaffee. „Allerdings scheinen die angebotenen Dokumente echt zu
sein.“
„Das haben meine Untersuchungen auch ergeben“, bestätigte
Anna. „Aber irgendetwas ist da faul. Ich spüre es.“ Anna machte eine kurze
Pause und schaute Bond an. „Was hältst du von einem kleinen inoffiziellen
Besuch in der Agentur heute Nacht?“
Bond blickte ernst zurück. „Das halte ich für eine gute
Idee. Unser Stationsleiter Weber hat versichert, mir notfalls alles Erdenkliche
an Rückendeckung zu geben.“
„Dann müssen wir nur noch entscheiden, was wir in der
Zwischenzeit machen, es ist noch lange hin bis heute Abend.“ Verführerisch sah
sie Bond an.
„Zu dir oder zu mir?“ erwiderte der Agent lächelnd.
„Lieber zu dir“, gab Anna zurück. „Der SWR ist was die
Hotels angeht nicht so spendabel wie der MI6.“
Lachend nahm Bond Annas Hand. Ihre erfrischende und herzliche
Art war wirklich das Richtige, um den fauligen Geschmack, den die Begegnung mit
Bates hinterlassen hatte, loszuwerden.
James Bond und Anna Aprewski flanierten noch ein wenig durch
die Berner Altstadt und sahen sich das Figurenspiel des Zeitglockenturmes, das
jeweils vier Minuten vor jeder vollen Stunde lief, in der Kramgasse an, bevor
sie einige schöne Stunden in Bonds Hotelsuite verbrachten. Als es dunkel wurde
machten sie sich schließlich an die Vorbereitungen der nächtlichen Aktion.
Vorausschauend hatten sie auch Annas Sachen am Nachmittag aus ihrem Hotel
abgeholt, so dass sich beide nun im Bellevue Palace umzogen. Bond prüfte noch
einmal die Batterien seiner Taschenlampe, Anna lud ihre Waffe und so fanden
sich beide eine halbe Stunde später vor dem Geschäftsgebäude der Agentur
wieder. „Es sieht ziemlich leer und verlassen aus“, flüsterte Anna. „Siehst du
irgendwo einen Nachtwächter?“
Bond schüttelte den Kopf. „Merkwürdig“, raunte er und sah
sich um. Schließlich nickte er in eine bestimmte Richtung. Anna folgte seinem
Blick. „Eine Überwachungskamera!“ Bond nickte. „Aber sehr ungeschickt
platziert. Wenn aus dieser Richtung ein Auto kommt, blenden die Scheinwerfer
die Kamera. Das ist unsere Chance.“
Zehn Minuten mussten die beiden noch warten, bis sie die
Gelegenheit hatten an der Kamera vorbei zum Haupteingang zu huschen. Doch es
gelang ohne Probleme. Der Brite sicherte die Umgebung, während die russische
Agentin das Schloss mit einem Dietrich bearbeitete. Schließlich sprang es auf
und Bond und Anna schlüpften in die Eingangshalle. „Die Hauptgeschäftsräume
sind im zweiten Obergeschoss. Wir nehmen am Besten die Treppe.“
Vorsichtig und lauernd schlichen die beiden durch das
Gebäude und schalteten die Taschenlampen nur im Notfall an. Alles war still und
ruhig. Gerade als Bond dachte, dass es fast schon zu ruhig war, gelangten die
Agenten an ein weiteres Hindernis im Flur des zweiten Stockwerkes: Eine wild
zuckende Laserbarriere!
„Ich glaube, wir haben den wichtigen Bereich der Agentur
entdeckt“, seufzte Anna. „Wie sollen wir da nur durch kommen?“
Bond erwiderte nichts, sein Blick hing gebannt an den
Lasern. „Da ist ein System drin, Anna.“
„Du hast Recht“, entgegnete die Russin, die nun ebenfalls
auf die Lichtlanzen blickte, während Bond sich in die Mitte des Flures stellte,
tief durchatmete, durch die Laserblitze sprang und unbeschadet auf der anderen
Seite abrollte. Fast hätte Anna erschrocken aufgeschrieen. Der Agent stand auf.
„Komm Anna, du schaffst es auch, du musst nur den richtigen Moment abwarten.“
Anna nickte, stellte sich ebenfalls in die Mitte des Flures
und versuchte ihre Angst zu unterdrücken. Mit einem geschmeidigen Flickflack
erreichte auch sie sicher die andere Seite. Erleichtert atmete sie aus. „Ich
hatte den roten Strahl direkt vor Augen… ich dachte, ich packe es nicht…“
„Es ist ja alles gut gegangen, Anna“, tröstete sie Bond, die
ihn dankbar anlächelte. „Wohin jetzt?“
Der Brite schaute sich um. Die Wahl war sehr einfach, es gab
auf dieser Seite der Barriere nur eine Tür. Wieder übernahm Bond die Sicherung
und Anna das Aufbrechen. Im Inneren des Raumes befanden sich unzählige
Aktenschränke. Ein vergittertes Fenster warf das fahle Mondlicht herein. Die
Agenten schalteten ihre Taschenlampen ein und machten sich daran den Inhalt der
Schränke zu untersuchen. Es waren alles streng geheime Informationen aus den
verschiedensten Geheimdiensten der Welt. „Das ist keine Detektei, das ist ein
privater Spionagering! Nicht auszudenken, wenn das alles in falsche Hände
gerät“, meinte Anna fassungslos.
„Wahrscheinlich ist es das schon und dies sind nur
Sicherungskopien“, befürchtete Bond. „Wir müssen das gemeingefährliche Treiben
dieser Agentur mit allen Mitteln beenden!“
„Aber das müssen die doch geahnt haben… warum hat man uns da
jetzt mit hineingezogen?“ Anna blickte Bond an, dessen Augen sich in düsterer
Erkenntnis weiteten. „Bei Gott, du hast Recht! Dann muss das hier jetzt…“
„Eine Falle sein, ganz recht“, tönte Bates’ Stimme durch den
Raum. Wie vom Blitz getroffen fuhren Bond und Anna herum! Lachend stand Bates
im Türrahmen, in der einen Hand ein Revolver, in der anderen Hand ein
Molotowcocktail. „Trotz Einäugigkeit sieht Argus alles“, höhnte er. „Die
Laserbarriere war übrigens ungefährlich und nur eine einfache Lichtschranke,
auch die Kamera im Hof war absichtlich so positioniert und sie sind voll darauf
hereingefallen.“ Bates lachte abermals, gnadenlos und schadenfroh. Die beiden
Agenten hatten zwar noch ihre Waffen, waren ihm aber dennoch hilflos
ausgeliefert. Er würde ihnen mit Sicherheit keine Gelegenheit lassen, diese zu
ziehen. Zudem hatte er ein brandgefährliches Argument gegen den Waffengebrauch
in der Hand. Plötzlich verstummte Bates und warf den Molotowcocktail mit aller
Kraft gegen die hintere Wand. Die Explosion ließ Anna und Bond zusammenfahren,
langsam breitete sich das Feuer aus, der Rauch ließ ihre Kehlen trocken werden.
Doch zu ihrer großen Überraschung trat Bates einen Schritt zurück. „Kommen sie
heraus hier. Und ja keine Mätzchen. Dies ist nur die Vernichtung von belastendem
Beweismaterial, sie beide brauchen wir noch lebend.“
Rasch eilten die beiden zur Tür, bevor ihnen der Rauch
völlig den Atem nahm oder das Feuer sie erreichte. Bond ließ Anna dabei den
Vortritt. Als sie draußen war, nahm Bond seine ganze Kraft zusammen, spannte
seine Muskeln an und sprang Bates wie ein wildes Tier an. Überrascht schrie
dieser auf und versuchte sich zu wehren, wollte einen Schuss abgeben, doch
schon hatte Anna die Hand mit dem Revolver ergriffen und schlug ihn Bates aus
der Hand. Ein Schlüssel glitt Bates bei der Rauferei aus der Tasche, den Anna
sofort aufhob. Mit einem gekonnten Schulterwurf beförderte Bond den feisten
Geschäftsführer in das Inferno und schloss hinter diesem die Tür. Rasch steckte
Anna den Schlüssel ins Schloss und sperrte Bates in seiner selbst geschaffenen
kleinen Hölle ein. Nach kurzer Zeit erstarben Bates’ verzweifelte Schreie.
Bond und Anna atmeten tief durch und wollten sich gerade
wieder aufrichten, als zweimal kurz hintereinander etwas durch die Luft surrte
und beide einen kurzen stechenden Schmerz im Oberkörper spürten. Bond wendete
sich um und konnte noch Miss Allison erkennen, die mit erhobenem Revolver vor
der abgeschalteten Laserbarriere stand, und sich die Kontaktlinsen aus den
Augen entfernte, bevor er von einer gnadenlosen Schwärze umfangen wurde.
Mühsam und mit hämmernden Kopfschmerzen kam Bond wieder zu
sich. Langsam schlug er die Augen auf, gewöhnte sich zögernd an das Halbdunkel
und sah sich um. Er saß an einen Stuhl gefesselt in einem Kellerraum. An der Wand
vor ihm hingen, mit Handschellen an Eisenhaken befestigt, Anna und ein ihm
unbekannter, bewusstloser Mann. Miss Allison stand erwartungsvoll neben ihm.
„Wo bin ich?“
4 – Jagd nach A. R.
Gus
„Wo bin ich?“ wiederholte der britische Geheimagent James
Bond müde. Er neigte den Kopf und schaute Miss Allison an. Trotz der fehlenden
weißen Kontaktlinsen, die ihr Gesicht wieder viel lebendiger wirken ließen, war
doch alles Hübsche aus ihrem Antlitz verschwunden und einer Eiseskälte
gewichen. „Das spielt keine Rolle“, erwiderte sie.
„Was haben sie mit uns vor? Wer ist der Mann?“
„Nur die Ruhe, Mr. Bond. Ich werde ihnen gleich alles
erklären und sie können sich schon einmal freuen, denn sie werden der einzige
der Anwesenden sein, der diesen Keller wieder lebendig verlässt. Außer mir
natürlich“, grinste sie. „Und der Mann ist nur ein unwichtiger kleiner
CIA-Agent auf der Suche nach unserem Informanten und den Kopien von Mastersons
Forschungsergebnissen.“ Ein melodisches Handyklingeln unterbrach Miss Allison.
„Verzeihung. Einen Moment bitte, Mr. Bond.“ Miss Allison holte ihr Handy hervor
und nahm den Anruf entgegen. „Allison… Ach, sie sind es… Ja, stimmt, Bates ist
tot… Nein, das ändert nichts. Es wird alles weiterhin planmäßig ablaufen. Gus
kommt wie besprochen morgen um 15 Uhr bei ihnen vorbei… Wiederhören.“ Sie
steckte ihr Handy wieder weg und ging zu einem kleinen Beistelltisch, auf dem
eine Spritze und drei Waffen lagen, eine davon war Bonds Walther, die andere
gehörte Anna und die letzte war wohl die Ausrüstung des CIA-Mannes. Miss
Allison nahm die Spritze und ging zu Bond. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie
Handschuhe trug. „Dies hier ist ein Betäubungsmittel, Mr. Bond, in einer ganz
speziellen Dosierung. Es wird sie ermatten, aber ihnen noch ein Mindestmaß an Bewusstsein
lassen. Sie werden damit zu meinem willenlosen Werkzeug. Ich werde ihnen dann
ihre Walther in die Hand drücken und mit ihrem Finger tödliche Schüsse auf die
beiden anderen abgeben. Danach werde ich sie hier mit den Leichen zurücklassen
und Polizei und Presse von ihrer Bluttat informieren. Ihre Waffe, ihre
Fingerabdrücke, ihre Schmauchspuren. Sie selbst werden durch das Mittel nur
noch eine sehr dunkle Erinnerung an alles haben, möglicherweise bleiben ihnen
nur die beiden Schüsse und das Feuer in der Agentur im Gedächtnis.“ Sie machte
Bonds Arm frei und injizierte ihm das Mittel. Er war ihr hilflos ausgeliefert.
Dem kurzen Stich folgte ein leichtes Kribbeln. „Warum das alles?“
„Ganz einfach, alle Welt wird von dem Amoklauf des
britischen Agenten James Bond erfahren, der für eine CD über Leichen geht. Und
es wird niemanden geben, der beweisen kann, dass sie weder die beiden anderen
Agenten auf dem Gewissen noch Bates nicht in Notwehr ermordet haben. Sehen sie
es als Beginn einer neuen Welle subtilen Terrors oder als Erprobung und Zurschaustellung
unserer Macht, ganz egal. Sie werden sowieso bald vergessen. Der Chef wird sehr
zufrieden sein.“ Mit Genugtuung sah sie James Bond langsam in sich
zusammensacken, seine Augen waren halb geschlossen. Eine unendliche Müdigkeit
legte sich auf seinen Körper und seine Gedanken. Miss Allison öffnete Bonds
Fesseln. Er war wie gelähmt. „James!“ rief Anna verzweifelt. „Sie Teufelin!“
Doch Miss Allison lachte nur, griff sich Bonds Walther und legte sie ihm
beinahe zärtlich in die rechte Hand. Sie selbst griff den Abzug von links aus,
zielte und schoss! Blut breitete sich auf der Brust des CIA-Agenten aus. Mit
einem diabolischen Grinsen führte sie Bonds Hand nun in Annas Richtung…
Bond stöhnte. Was war los? War da ein Schuss? Hatte er etwa
geschossen? Von Ferne hörte er verzweifelte Rufe. War das eine Frau? Die Stimme
kam ihm so bekannt vor. Er versuchte zu lauschen. „Kämpfe, James!“ schien die
Stimme zu rufen. Kämpfen? Ja, kämpfen musste er… Ankämpfen gegen diesen Schleier
in seinen Gedanken, die Schwere in seinen Gliedern. Nur wie? Wie? Ein Gefühl!
Ein tiefes Gefühl! „Sir Henrys Ruhm fußt in Wahrheit nur darauf, dass er immer
genau wusste wann er wen bestechen, liquidieren oder Bestechungsgeld annehmen
musste... liquidieren… liquidieren…“, tönte es in Bonds Kopf. Liquidieren? War
er nicht gerade selber dabei jemanden zu liquidieren um an irgendetwas zu
kommen? Ein Bild nahm langsam vor seinem inneren Auge Gestalt an: Havannas
Cousin, der ihm mit erhobener Waffe hämisch die Wahrheit über Sir Henry ins
Gesicht schleuderte! Und da war sie! Wut! Unbändige Wut!
Miss Allison schrie erschrocken auf, als sie plötzlich
Widerstand spürte und Bond anfing wild nach ihr zu schlagen. Anna nutzte den
Moment ihrer Unaufmerksamkeit und versuchte abermals sich zu befreien während
Bond und Miss Allison miteinander rangen. Sie fand schließlich mit ihren Füßen
Halt an der Wand, konnte sich von dem Haken lösen und den eiskalten Todesengel
mit ihren Handschellen in einen Würgegriff nehmen und von Bond zurückziehen.
Schreiend wehrte sie sich, doch Bond drückte ab! Leblos sank ihr Körper auf den
Steinboden. Bond bekam noch mit wie die Tür aufgebrochen wurde und Weber mit
der Kantonspolizei erschien, bevor er den Kampf gegen das Betäubungsmittel wieder
aufgeben musste. Anna atmete erleichtert durch. „Sie sind Mr. Weber? Wir müssen
den letzten Anrufer auf Miss Allisons Handy feststellen, dann kommen wir an Mr.
Gus heran!“
„Schwarzenberg, ein Bankier“, berichtete Weber noch am
selben Abend in seinem Büro Anna und dem wieder vollkommen hergestellten Bond.
„Ein korrupter Bankier“, verbesserte Bond Weber, der ihn daraufhin fragend
ansah. „Ich hörte von ihm bei meinem letzten Fall“, erklärte der Agent. „Wie
haben sie uns eigentlich gefunden, Weber?“
Der Stationsleiter lächelte. „Nun, wir fanden eine Leiche in
der brennenden Agentur. Anhand des Glasauges konnten wir den Mann
identifizieren, ein bekannter Gangster. Das Haus in dem man sie gefangen hielt
war früher sein Unterschlupf.“ Nun wusste Bond, dass der nervöse Weber durch
Scharfsinn und Tatkraft zum Stationsleiter aufgestiegen war und er empfand
wirkliche Achtung vor ihm.
Schwarzenberg, ein schwarzhaariger Mann Mitte Dreißig mit
runder Nickelbrille und äußerst gepflegtem Äußeren, tupfte sich mit seinem
Taschentuch einige Schweißtropfen von der Stirn. Er wusste, was er zu sagen
hatte und er hatte gewusst, dass die Herren kommen würden. A. R. Gus hatte es
ihm vorausgesagt. Doch war ihm bei der Sache nicht geheuer. Er blickte noch
einmal in die Runde. Es waren zwei Kantonspolizisten, ein hart und etwas
verwegen aussehender Engländer und eine junge Russin. „Ich weiß wirklich nicht,
was sie meinen, meine Herrschaften. Hier war niemand. Ich war hier ganz
allein.“
„Machen sie uns doch nichts vor, Schwarzenberg“, fuhr ihn
Bond an. „Wir haben eine Abhöranlage in ihrem Büro installiert. Sie haben eben
mit Mr. Gus gesprochen!“
„Ach so, das meinen sie“, gab Schwarzenberg mit gekünsteltem
Lächeln zurück. „Das ist ein älteres Gespräch auf einem Tonband gewesen. Es enthält
wichtige Anweisungen zu seinen Investitionen, die ich gerade schriftlich
fixieren wollte.“ Er holte ein Tonbandgerät hervor, spulte etwas zurück und
spielte dann einige Sekunden davon ab. Es war tatsächlich das eben mitgehörte
Gespräch. Rasch schaltete Schwarzenberg wieder ab. Misstrauisch trat Bond zum
Schreibtisch und schaltete das Tonbandgerät zum Schrecken des Mannes wieder an.
Nun hörte man eine Tür gehen, die harten Schritte der Polizisten, eine Klinke
und Bond, der den Bankier aufforderte die Tür zu öffnen. „Sie können uns nicht
reinlegen, Schwarzenberg. Sie haben das eben selbst mitgeschnitten.“ Bond
blickte zu den Polizisten. „Wände absuchen, hier muss eine versteckte Tür
sein.“ Die Polizisten klopften die Holzverkleidung des Raumes ab und fanden
tatsächlich eine Stelle an der es hohl klang. „Was ist dahinter?“
Schwarzenberg blickte berechnend zu Bond. „Das ist nur ein
altes Treppenhaus, es ist schon Jahrzehnte unbenutzt. Einige Zentimeter über
dem Fußboden befindet sich zwar noch ein Schlüsselloch in der Vertäfelung, aber
ich habe dafür keinen Schlüssel.“
„Aufbrechen“, befahl Bond. Schwarzenberg nutzte die
Bemühungen der Männer, um eine Schublade seines Schreibtisches aufzumachen und
eine Pistole zu zücken. „Hände hoch!“ Er trat einen Schritt zurück zum Fenster
seines Erdgeschossbüros und öffnete es. „Wehe sie folgen mir!“ Er kletterte auf
den Hof hinaus und wurde dort sogleich von drei weiteren Kantonspolizisten
gestellt. Kapitulierend ließ der Bankier seine Waffe fallen, während Bond ans Fenster
trat. „Es ist aus, Schwarzenberg. Reden sie endlich.“ Schwarzenberg ließ den
Kopf sinken, seufzte und blickte dann wieder auf. Zu Bonds Erstaunen lächelte
er überlegen. „Ja, Mr. Gus war eben bei mir. Das Treppenhaus führt zu einer
Tiefgarage. Ich sollte sie so lange wie möglich aufhalten, damit er Zeit hatte
zu fliehen. Sie erwischen ihn nicht mehr. Er ist schon wieder auf dem Weg ins
Ausland.“ Widerstandslos ließ er sich von den Polizisten die Handschellen
anlegen und abführen. Anna machte Anstalten noch etwas zu sagen, doch Bond
hielt sie zurück. „Ich weiß wo Gus hin ist“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Was
hältst du von einem Trip mit dem Aston Martin nach Florenz? Seine Visitenkarte
wurde dort gedruckt.“
James Bond und Anna Aprewski betraten, getarnt als Ehepaar,
die beeindruckend luxuriöse Lobby des Grand Hotels. Alles war aufgrund des gerade
stattfindenden Karnevals schon festlich geschmückt. „Mr. und Mrs. Fleming? Es
ist schon eine Nachricht für sie eingetroffen“, begrüßte sie der ältere
Empfangschef und reichte dem Agenten einen Briefumschlag. Bond öffnete ihn
sofort und entnahm ihm eine Visitenkarte der Agentur Argus. Er drehte sie um,
während Anna neugierig über seine Schulter schaute.
Ich wusste, dass sie über die Karte auf meine Spur kommen würden.
Ich erwarte sie heute um 22 Uhr an der Ponte Vecchio.
Sie werden mich erkennen.
A. R. Gus
„Das riecht doch wieder nach einer Falle“, bemerkte Anna
leise. Bond nickte. „Aber diesmal werden wir uns von vornherein vorsehen.“
Der Arno schimmerte silbern im Mondlicht, die Nachtluft war
angenehm frisch und von überall her erklang noch Musik als die beiden Agenten den
Weg vom Hotel zur ältesten Brücke von Florenz zurücklegten. Unter den vielen
maskierten und stilvoll kostümierten Menschen, die immer noch unterwegs waren,
fielen die beiden zwar auf, doch es war ihnen egal. Sie hatten all ihre Sinne
auf die Umgebung ausgerichtet. Wie leicht konnte man hier in einen Hinterhalt
geraten. „Dort!“ Anna blieb stehen und griff nach Bonds Arm. Dieser folgte
ihrem Blick. Rechts von ihnen war ein Mann in einem schwarzen Mantel
aufgetaucht. Er trug eine weiße Halbmaske und eine weiße, mit blauen
Edelsteinen besetzte Kappe. Um die Steine waren mit schwarzem Garn die Formen
von Augen gestickt. „Mr. A. R. Gus, nehme ich an“, begann Bond. Dieser nickte. „Verzeihen
sie mir diese ominöse Einladung, aber ich liebe bühnenreife Abgänge.“ Bond
schaute sich aufmerksam um, doch nichts schien auf verkleidete Helfer von Gus
hinzudeuten. „Sie können ihre Waffe ruhig stecken lassen, Mr. Bond. Ich bin
unbewaffnet und allein. Nicht sie verlassen die Bühne, sondern ich. Die Agentur
ist ausgebrannt und ausgehoben, A. R. Gus ist hiermit tot.“ Gus zog sich die
Maske vom Kopf und warf sie auf den Boden. Der britische Agent konnte noch das
entschlossene Gesicht des etwa dreißigjährigen Mannes erkennen, bevor plötzlich
aufstiebender, heller Rauch ihm die Sicht nahm. Als sich dieser wieder verzogen
hatte, war Gus spurlos verschwunden.