13 – Piedras del
Morte
Vorsichtig stahlen sich James Bond vom britischen Secret
Service und Andrej Aprewski vom russischen SWR die Wendeltreppe hinunter bis
sie schließlich an einen schmalen Gang gelangten. Er stieg an und schien in
eine Höhle zu führen und es war deutlich der Geruch von Meerwasser zu riechen.
Auf der rechten Seite befand sich eine Stahltür. „Ich würde sagen, wir müssen
durch die Tür“, befürchtete Andrej und Bond stimmte ihm zu. Während Bond die
Tür sicherte, versuchte Andrej sie zu öffnen. Die Tür war tatsächlich nicht
abgeschlossen. Als sie von oberhalb der Wendeltreppe ärgerliche Stimmen hörten,
betraten sie beide hastig den anschließenden Raum und mussten sofort die Waffen
senken und die Arme vor die Augen reißen. Gleißendes Licht blendete sie. Hinter
ihnen wurde die Stahltür geschlossen und verriegelt.
„Senor James Bond und Senor Andrej Aprewski“, ertönte Perez’
Stimme, die sich immer noch ein wenig schwach anhörte. „Ich heiße sie herzlich
willkommen im Piedras del Norte oder besser im Piedras del Morte, wie ich
meinen kleinen Stützpunkt diese Nacht nenne. Nach all den Jahren ist der Tag
der Abrechnung endlich da und ich freue mich, dass sie sich extra die Mühe
gemacht haben die Stunde meiner Rache gemeinsam mit mir zu verbringen. Ich
wusste schon die ganze Zeit, dass sie ein netter Kerl sind, Senor Bond.“
Die Scheinwerfer wurden ausgeschaltet und nachdem sich Bonds
Augen wieder erholt hatten, blickte er sich um. Er stand auf einer metallenen
Balustrade mit einer einfachen, waagerechten Strebe als Geländer in mittlerer
Höhe, die einmal rings um den rechteckigen Raum herumführte. Über Leitern
konnte man den Erdboden erreichen. Der Raum war ausgestattet mit
Computerterminals und einigen technischen Apparaten. An einer Seite des Raumes
war ein einfacher metallener Aufzug angebracht. Neben ein paar Technikern war
hier eine ganze Wachmannschaft von kubanischen Soldaten. Der Oberst stand neben
einem großen Monitor vor einem hohen Schrank. Es war ein älterer Mann mit
grauen Haaren, einem grauen Schnurrbart und einem wettergegerbten Äußeren.
Perez, immer noch von dem Herzanfall gezeichnet, saß im Rollstuhl an einem
runden Terminal auf einem erhöhten Podest. Seine Tochter und die anderen
Pflanzer standen bei ihm.
„Jetzt lassen sie bitte beide die Waffen fallen“, befahl der
kahle Perez, der in ein Mikrofon sprach. Beide Agenten leisteten dem wohl oder
übel Folge, da mehrere Gewehre auf sie gerichtet waren. „Und ich fürchte, dass
sie ganz umsonst hierher gekommen sind, Senor Aprewski. Ich fürchte der
Professor weilt nicht mehr unter den Lebenden. Sie haben sicher den Gang
bemerkt, der zu einem Ausstieg am Meer führt. Ich fürchte, der gute Professor
war ein Nichtschwimmer.“
„Schwein!“
„Das ist durchaus möglich“, entgegnete Perez, der nichts von
seiner freundlichen Art verloren hatte. „Aber er wird nicht das einzige
Todesopfer diese Nacht sein, das auf mein Konto geht. Wissen sie, das
Verseuchen der Produkte von Bacardi war nur eine kleine Spielerei. Dass
Gorbatschow das Attentat überlebt hat ärgert mich dagegen schon mehr. Aber ich
will sie nicht mit Belanglosigkeiten langweilen. Diese Nacht geht es um sehr
viel mehr. Zwei Bomben werden diese Nacht losgehen und niemand wird das mehr
verhindern können. Und hätte meine Tochter diesen schleimigen de Stroy schon
etwas eher erwischt und wenn Martinez’ Falle so funktioniert hätte wie sie
sollte, wären sie völlig ahnungslos gewesen, Senor Bond. Niemand hätte jemals
herausgefunden, dass die Bomben von hier aus gezündet worden sind über ein
System auf das ich sehr stolz bin. Entwickelt unter anderem von Sir William
Otterborough.“ Nun sah Perez Bond genau an. Dieser verzog das Gesicht. Er hatte
doch gewusst, dass der Selbstmord von Sir William und das Verschwinden des
russischen Nachrichtentechnikers in Zusammenhang standen. „Wir erpressten ihn
und er hat uns dafür zwei sehr nützliche kleine Maschinchen gebaut. Sein
Gewissen trieb ihn schließlich in den Selbstmord. Diese beiden Maschinchen sind
an den Zündern der Bomben befestigt und reagieren äußerst empfindlich auf
Störungen im elektromagnetischen Wellenfluss.“ Perez schaute von Bond zu
Aprewski. „Der Professor versorgte uns schließlich mit der Möglichkeit so eine
kleine Störung selbst herzustellen. Schauen sie selbst.“ Perez drehte sich zum
Monitor und drückte einen Knopf. Es war nun eine Aufnahme des Leuchtturmes zu
erkennen. Perez drückte einen weiteren Knopf und eine Antenne spross aus dem
Dach des Turmes. „Es ist ganz einfach.“ Perez freute sich wie ein kleines Kind.
„Wir senden von hier aus ein kleines Störsignal hinauf zu den amerikanischen
Fernsehsatelliten und bumm! Während alle Fernsehzuschauer nur einen kurzen Riss
im Bild mitkriegen explodieren unsere Bomben.“
„Gratulation“, meinte Bond sarkastisch. „Wir wissen, dass
eine Bombe in Miami ist. Wo macht es denn noch bumm?“
Perez überlegte einen Augenblick. „Da sie ja sowieso keinen
Zugriff zu den Bomben haben, kann ich es ihnen ja auch verraten. Die zweite
Bombe wird in Washington detonieren. Beim CIA im Hauptquartier, bei Präsident
Bush im weißen Haus, irgendwo dort. Und wieso sollte man Kuba verdächtigen? Die
Islamisten geben einen viel besseren Sündenbock ab.“
„Nur, dass niemand die Islamisten verdächtigen wird, Perez“,
konterte Bond. „Es gibt noch mehr, die von ihren Machenschaften wissen, außer
Aprewski und mir.“
„Das ist mir wohl bewusst“, nickte Perez. „Nur wird Havanna
niemand Glauben schenken. Sie ist für die Behörden nur eine arme Irre. Und
Raoul…“ Perez wandte sich Coronel Adoro zu. „Zeig ihnen Raoul.“
Der Oberst trat zur Seite und öffnete die Tür des Schrankes.
Raouls weit aufgerissene Augen und sein schmerzhaft verzerrter Mund strahlten
pures Entsetzen aus. Wie ein Brett fiel sein toter Körper auf den Boden. In
seinem Rücken steckte auf Herzhöhe ein weiteres von Juanitas Wurfmessern.
„Schwein!“ wiederholte Andrej.
„Das werden sie büßen, Perez!“ drohte Bond wütend und doch
mit einem unheilvollen Gefühl der Beklemmung. Nun hatte er keine Rückendeckung
mehr. Andrej und er waren die einzigen, die Perez noch aufhalten konnten.
Perez ging nicht auf die beiden ein. „Und selbst wenn man
auf meine Spur kommt“, entgegnete er müde. „Ich hatte meine Rache und bin alt
und krank. Nachdem die Zündung der Bomben erfolgt ist, werde ich diesen ganzen
Komplex sprengen und mit ihm in Rauch aufgehen. Und sie beide zusammen mit mir,
dafür wird gesorgt werden.“
Juanita war hinter ihren Vater getreten und schlang zärtlich
ihre Arme um ihn. Cruz und Silva grinsten hämisch in die Richtung der beiden
Geheimagenten. Der Coronel hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und
stand militärisch aufrecht ohne eine Regung in seinem dunklen Gesicht. Perez
schaute verträumt zur Decke. „Bei Gott, wie lange hat es gedauert, bis ich den
Plan vollständig ausgearbeitet hatte und wir das nötige Geld beisammen hatten.
Zu keinem anderen Zweck schlug ich Sir Henry den Einstieg in das Drogengeschäft
vor und ich gründete die Vereinigung um Mitstreiter zu finden. Doch nun ist es
endlich so weit! All die Jahre des Wartens haben sich ausbezahlt!“ Perez fing
sich wieder und blickte warmherzig zu Bond. „Irgendwelche passenden Worte,
Senor Bond, bevor ich auf den Zauberknopf drücke?“
Bonds Blick fiel auf den roten Knopf vor Perez, der schon
seine Hand danach ausgestreckt hatte. Seine Augen wanderten flink zu Andrej und
ein kurzer Blickwechsel genügte, um ein wortloses Einverständnis zwischen den
beiden Agenten zu erzielen. Wann war Bond eigentlich das letzte Mal mit einem
anderen Agenten gemeinsam im Einsatz gewesen? War es mit Felix Leiter? Nein,
später noch ein paar Mal mit Alec Trevelyan. Mit grimmigem Gesichtsausdruck
dachte er an diesen Linzer Kosaken, der auch nur Rache wollte. Doch nun hatte
er das Gefühl, sich wirklich auf diesen Russen verlassen zu können, der jetzt
neben ihm das gleiche Schicksal teilte. „Nun, Senor Bond, was sagen sie?“
wiederholte Perez.
„Schade für sie!“ rief Bond und in einem waghalsigen Manöver
beugten sich Bond und Andrej hinab und griffen nach ihren Waffen. Die Kugeln
der kubanischen Soldaten zischten dicht an ihren Köpfen vorbei. Die Agenten
setzten zum Sprung an, schossen und sprangen die Balustrade hinab hinter ein
Computerterminal, dass ihnen wenigstens von einer Seite Deckung bot. Rasch
wendeten sie sich noch oben und erledigten mit zwei gezielten Schüssen die
beiden Soldaten, die eben noch neben ihnen gestanden hatten. Ein aufgeregtes
Durcheinander brach aus. „Erschießt sie!“ rief der Oberst durchdringend. Funken
stieben von dem Computerterminal auf, dass von den Kugeln der Gewehre getroffen
wurden. Juanita blickte sich etwas orientierungslos um, bis sie eine
Feuchtigkeit an ihrer Hand spürte, die immer noch auf Perez’ Brust lag. Blut!
„Vater!“ schrie sie außer sich. Doch Perez war tot.
Getroffen von Bonds erster Kugel. Rasch blickte sie sich um, sah auf das
Computerterminal, doch an der Stelle des roten Knopfes waren nur noch
verschmauchte und rauchende Leitungen. Hier war der erste Schuss von Andrej
hingegangen. Mit unbändiger Wut hastete sie, während die Schießerei tobte, zu
einem roten Hebel an der Wand und umfasste ihn. „Du wirst hier nicht mehr
lebend herauskommen, James! Dies ist der Hebel für die Selbstzerstörung! Wir
werden alle zusammen untergehen!“
Die Soldaten hielten inne und sahen sich erschreckt an. Sie
war eindeutig verrückt geworden! Bond und Andrej nutzten geistesgegenwärtig die
Unaufmerksamkeit und spurteten zum Aufzug. Juanita zog den Hebel herunter.
„Lasst sie nicht entkommen!“ rief der Coronel durch den Raum, der erfüllt war
von verstörten Soldaten, die versuchten aus diesem Grab zu entkommen. Eine
Explosion ließ das Gewölbe erzittern. Bond erreichte mit Andrej den Aufzug,
drückte auf die Taste nach oben und gerade noch sehen wie Miguel Cruz zu
Juanita Perez eilte, sie sanft in den Arm nahm und küsste bevor die Decke
herunter brach und alle im Raum unter sich begrub.
Bond atmete tief durch und schaute zu Andrej, der mit
ängstlicher Miene nach oben schaute. Nun konnte auch Bond es hören. Ein Grollen
und eine weitere Explosion! Der Aufzug stoppte und geriet in Schieflage. Andrej
konnte sich gerade noch halten, doch Bond verlor den Boden unter den Füßen und
rutschte ab. Immer weiter auf die züngelnden Flammen zu, die aus der zerstörten
Zentrale des Todes kamen und sich unnachgiebig nach oben schlängelten. Im
letzten Moment spürte Bond einen festen Griff um seinen Arm und eine Kraft, die
ihn hochzog. „Danke“, brachte er atemlos hervor, als er wieder einigermaßen
sicher auf der Metallplatte des Aufzuges stand.
„Aber es hilft nichts, wir werden ersticken“, mutmaßte
Andrej. Bond schaute sich um und erblickte einen Riss in der Erdwand. „Dort!“
Langsam nahm der dunkle Rauch ihnen Atem und Sicht doch mit
gemeinsamen Kräften schafften sie es den Riss zu vergrößern. Hinter dieser Wand
war augenscheinlich der Gang der zu dem Ausstieg am Wasser führte. Eilig
schlüpften sie durch das Loch und bahnten sich ihren Weg durch den dunklen,
schmalen Gang so gut sie konnten. Als die Leiter und das Ausstiegsloch schon in
Sichtweite waren stieß Andrej an einen Stein, strauchelte und fiel zu Boden. Es
war wieder ein Grollen zu hören. Schnell wendete Bond sich um, griff Andrejs
Hand und half ihm auf. Eine weitere Explosion ertönte und eine Wolke aus Staub
und kleinen Steinen kam den beiden aus Richtung des Höhleninneren entgegen.
Gerade noch rechtzeitig erklettern sie die Leiter und hievten sich aus dem
kleinen Ausstiegsloch bevor der Gang ganz in sich zusammenfiel!
Hustend ließen sich die beiden Agenten auf dem sandigen
Boden nieder. Bond blickte sich um und sah den Leuchtturm. Rauch stieg aus dem
Wärterhaus und die kubanischen Soldaten beratschlagten noch verwirrt was wohl
geschehen sei. „In die Richtung möchte ich nicht zurück“, bemerkte Bond.
„Brauchen wir auch nicht“, sagte Andrej, der in Richtung
Meer geschaut hatte. „Perez selbst hat wie ein Vater für uns gesorgt.“
Bond schaute nun auch zum Wasser. An einem kleinen Steg lag
ein Motorboot mit dem Emblem der Perez-Pflanzergesellschaft. Andrej war schon
aufgesprungen und half nun auch Bond hoch.
James Bond hatte sofort bei seiner Ankunft im Hotel mit M in
London Kontakt aufgenommen und ihr berichtet. Danach hatte er geduscht und
lange geschlafen. Havanna war während dieser ganzen Zeit ganz still gewesen.
Das Läuten des Telefons riss ihn schließlich aus seinem Schlummer. Er griff vom
Bett aus zum Hörer. „Ja, Bond.“
Am anderen Ende war M. „Ich beglückwünsche sie zu dem
erfolgreichen Abschluss ihrer Mission, Bond. Ich sollte vielleicht doch langsam
einmal damit anfangen ihren Instinkten zu vertrauen.“ Bond wollte erst aus
Höflichkeit protestieren, doch M ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Was Sir Henry
angeht so haben wir – der Minister, der Stabschef und ich – und dazu
entschlossen das wahre Leben Sir Henrys nicht publik zu machen. Es liegt nicht
im öffentlichen Interesse und würde auch nur zum Schaden seiner Tochter gehen.“
„Seine Tochter, da erinnern sie mich an etwas“, murmelte
Bond und ein Klicken ertönte in der Leitung.
„Bond? 007? Bond? Bond!“ rief M immer wieder in das Telefon,
doch Bond hatte unwiderruflich aufgelegt. Mit einem Seufzen ließ sie ebenfalls
den Hörer auf die Gabel fallen. Bond würde sich doch nie ändern.
M und Bond legten auf. Havanna trat in sein Schlafzimmer.
Bond richtete sich auf und fuhr sich durch das Haar. „War das M?“ fragte sie.
Bond nickte. „Und?“
„Sie schien sehr befriedigt“, antwortete er.
„Nur ich war es noch nie“, flüsterte Havanna traurig und
setzte sich zu dem Agenten auf das Bett. „Ich bin so froh, dass du alles heil
überstanden hast, James.“ Bond lächelte sie sanft an und streichelte sachte
ihre Wange. Langsam lächelte sie ebenfalls. „Damien sagte damals, dass du ein
gut aussehender, charismatischer und begehrenswerter Mann seiest. Er hat
vollkommen Recht, nur wollte ich mir das damals noch nicht eingestehen.“
Havanna ließ sich rückwärts auf das Bett gleiten und schaute direkt in Bonds
Augen. „Bitte zeig mir, wie schön Liebe sein kann…“ Bond beugte sich über sie
und gab ihr einen zärtlichen Kuss.
THE END
BUT
JAMES BOND WILL RETURN
IN
„AGENTUR ARGUS“