Ich habe nur oft festgestellt daß manche Filme zunächst fast nur positiv wahrgenommen wurden, aber kaum bekamen sie Oscars fingen viele an darauf rumzuhacken. Der englische Patient z.b.
Anderen Filmen wie No Country for Old Men hat es dagegen gar nicht geschadet.
Ich teile Deine Wahrnehmung diesbezüglich. Ich habe ebenfalls schon oft beobachtet, wie sich das Image eines Films - sowohl positiv wie negativ - verändert, sobald er mit Oscars bedacht wurde.
Und das sowohl bei der Allgemeinheit als auch bei mir selbst. Was die Frage aufwirft, warum das sich das so verhält.
Liegt es in erster Linie daran, das die Medien ab diesem Zeitpunkt mit dem Film anders umgehen ?
('Dies ist nicht einfach nur ein sehr guter Film, nein, dies ist ein x-facher OSCAR-Siegerfilm ! Verneigt Euch alle in Ehrfurcht !')
Oder liegt es eher daran, das viele Menschen einem 'Oscar-Film' mit einer gewissen Erwartungshaltung gegenüber treten - sei es durch vergangene 'Oscar-Filme',
an denen man den entsprechenden Film mißt, oder daran, das man bei einer Oscar-Prämierung stets die eigenen, persönlichen Favoriten des entsprechenden Oscar-Jahres in Konkurrenz sieht, die wegen dem Sieger leer ausgingen, bzw. gar nicht erst nominiert wurden ?
Ich selbst muß zugeben eher von dem letztgenannten Aspekt oftmals emotional tangiert zu werden.
Es fiel mir z.B. äußerst schwer einem Werk wie
'Shakespeare in Love' nach seinem - nach meinem Empfinden - unverdienten Oscar-Regen unvoreingenommen zu begegnen,
da ich ich etliche Werke des entsprechenden Jahrgangs als deutlich oscar-würdiger empfand - allen voran die ebenfalls nominierten Werke
'Der Soldat James Ryan' von Spielberg und der
'Der schmale Grat' von Malick.
Ich bemühe mich zwar stets, mich in dieser Hinsicht nicht beeinflußen zu lassen, denn was können Filme wie
'Oliver!', 'Kramer gegen Kramer', 'Eine ganz normale Familie' usw. dafür, das sie mit Preisen bedacht wurden,
die viel größeren Meisterwerken ihrer Zeit gebührten. Nicht destotrotz kann ich ein imaginäres Etikett Namens 'Überprämierung' selten völlig ausblenden, wenn ich an diese Filme denke.
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Bezüglich der Prämierungen bei der diesjährigen Oscar-Verleihung bin ich eigentlich insgesamt ganz zufrieden.
Lediglich einige der 7 Oscars für
'Gravity' erzeugten bei mir Stirnrunzeln.
Zum einen möchte ich die Prämierung der Film-Musik nennen, denn zumindest meine Ohren hörten in den letzten 12 Monaten deutlich innovativere und bestechendere Score-Arbeiten, als die von
Steven Price (z.B. Hans Zimmer's
'Man of Steel'), der vermutlich nur das Glück gehabt hat, einen Favoritenfilm der Academy musikalisch untermalt zu haben.
Aber auch den Kamera-Oscar halte ich für fragwürdig - und das obwohl ich schon jahrelang eine Art Fan von
Emmanuel Lubezki bin, dessen Arbeiten für
Terrence Malick mich stets auf's neue zu begeistern wußten.
Das er nun ausgerechnet für den ersten Film seiner Karriere mit dem Oscar bedacht wurde, bei dem man sich fragen kann, wo seine Leistung als Kameramann denn aufhört und wo die Arbeit der digitalen Nachbearbeiter-'Armee' beginnt, empfinde ich schon ne als recht schräge Nummer.
Überhaupt finde ich es aufällig, wie sehr der Fokus der Academy bei der Auszeichnung für die beste Kamera-Arbeit in den letzten Jahren auf 'computer-schwangeren' Werken mit überwiegend künstlich gestalteten Bildwelten liegt ('Avatar', 'Hugo Cabret', 'Life of Pi', 'Gravity').
Hier würde ich mir mal eine genaue offizielle Definition von seiten der Profis wünschen, was denn heutzutage genau bei einem Oscar für die beste Kamera-Arbeit prämiert wird.
Selbst beim Regie-Oscar für
Alfonso Cuarón bin ich etwas zwiegespalten. Einerseits bin ich seit Jahren ein Bewunderer von ihm, obwohl er bisher verhältnismäßig wenig Filme gedreht hat. Durch seinen brilliant inszenierten
'Harry Potter und der Gefangene von Askaban', den ich mit Abstand für den besten Teil dieses Franchise halte und vorallem durch seinen höchst innovativen
'Children of Men' von 2006, wartete ich ungeduldig auf die Veröffentlichung seines lange angekündigten, und ein paar mal verschobenen neuen Filmes.
Aber nun wo dieser nun endlich Realität geworden ist und sowohl bei Publikum wie Kritikern diesen erstaunlichen Hype auslöste, der nun auch noch im Regie-Oscar gipfelte, frage ich mich ob dieses Werk das auch wirklich verdient hat.
Einen 'Meilenstein des Genres' stelle ich mir jedenfalls etwas anders vor - zumindest inhaltlich hatte ich deutlich mehr erwartet.
Bitte nicht falsch verstehen: Auch ich finde
'Gravity' sehr gut, und seine Technik-Oscars (vorallem die für die visuellen Effekte) hat der Film sicher zweifellos verdient.
Aber ich stelle an einen Film, der allgemein so
extrem hoch bewertet wird (auch unabhängig von den Oscars) mehr Forderungen, als nur die, das er visuell besticht und einen auf spannende Weise unterhält.
Womit mir wieder bei dem alten 'Prämierungsrelationsproblem' sind, das ich oben bereits ansprach...
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Hier noch ein paar Presse-Statements zur Verleihung:
Für Pascal Blum (
Tagesanzeiger) sind die wahren Sieger Filme mit geringerem Budget.
"Wirklich historisch war der Sieg eines Mexikaners, der als erster Lateinamerikaner mit einem Regie-Oscar ausgezeichnet wurde", stellt Dominik Kamalzadeh (
Standard) fest.
Martin Kilian (
Tagesanzeiger) sieht in dem Oscar-Sieg ein politisches Signal.
"Die Academy prämierte einmal mehr (nach US-Maßstäben) politisch korrektes Kino", resümiert Matthias Greuling (
Wiener Zeitung).
Auf
"großartige Verlierer und fantastische Sieger" schaut Wenke Husmann (
Zeit).
Anke Westphal (
Berliner Zeitung) nennt die Entscheidung der Academy salomonisch.
"Filme, die aktuelle amerikanische Selbstkritik betreiben, gingen leer aus", bilanziert Jan Schulz-Ojala (
Tagesspiegel).
"Die Verlierer befinden sich in guter Gesellschaft", weiß Barbara Schweizerhof (
taz).
Dirk Peitz (
Welt) sah eine Verleihung ohne Überraschung.
"Trotz guter Moderation litt der Abend an völliger Vorhersehbarkeit der Preise", bemängelt Christoph Huber (
Presse).
Trotz interessanter Filme war dies für Hanns-Georg Rodek (
Welt) die langweiligste Verleihung seit langem.