Eine außerordentlich kreative Phase des hiesigen Kinos, sind zweifelsohne die 20er Jahre, eingeleitet u.a. durch solch sagenhafte Stummfilmperlen wie "Nosferatu", später gegen Mitte der Dekade dann exotische Meilensteine wie etwa "Der müde Tod".
Daraufhin dann Jahrzehnte der Ermüdung, bis Ende der 60er beziehungsweise Anfang der 70er Jahre junge Regisseure wie Volker Schlöndorff, Werner Herzog und dergleichen mehr das Zepter übernahmen.
Ein Punkt welcher mich hierzulande MASSIV stört, ist der, dass es zwischen Kunstfilmmeister Wim Wenders und dem bereits von unserer allseits geschätzten Pille erwähnten Herrn Schweiger (und Schweighöfer etc.) kaum eine Mitte zu geben scheint.
Die Zwanziger Jahre stehen natürlich über allem. Die ganze Stummfilm- und frühe Tonfilmzeit in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA ist ein einsamer Triumph, dessen atmosphärische Dichte und qualitativ-künstlerische Bandbreite danach nie wieder dauerhaft erreicht wurden. Das waren aber auch die Anfangsjahrzehnte des Films, als das Medium noch neu und frisch war und man staunend vor dessen unbegrenzten Möglichkeiten stand. Der aufkommende Faschismus in Europa und der Zweite Weltkrieg haben dann dem (Qualitäts-) Kino gesamtheitlich einen Schlag versetzt, von dem es sich gewissermaßen nie wieder vollständig erholt hat. Nicht umsonst hat es über ein Jahrzehnt gedauert, bis es in den Sechziger und Siebziger Jahren dann wieder zu einen größeren Qualitätsdichte und einer Phase großer kreativer Hochklassigkeit kommen konnte. Seit den Achtziger Jahren ist das Kino leider größtenteils nur noch in einer Epigonen-Schleife gefangen. Das hat aber auch mit einer Existenzkrise des Mediums zu tun, denn mittlerweile haben diverse neue Medien (Computer, Spielkonsolen, Handys, Smartphones usw.) dem klassischen Film den Rang abgelaufen. Selbstzitate, Neuverfilmungen, Remakes und unbegrenzt herrschende Franchise- und Kommerzfilme sind das dominierende Bild in der Gegenwart. Dem Kino fehlt in der Tat die "Mitte". Zwischen dem Blockbuster/Kommerz-Kino und dem absoluten Arthouse-Kino gibt es kaum mehr "Vermittler" und "Überläufer". Das sind mittlerweile zwei völlig getrennte Welten.
Deutschland ist da noch einmal ein speziellerer Fall. Einst waren die Deutschen mit die Vorreiter und Hauptvertreter der Goldenen Ära des Kinos von 1900-1933; bis dann mit dem Dritten Reich und dem Zweiten Weltkrieg alles zusammenbrach. Vielleicht beschäftigt sich das deutsche Kino auch deswegen so intensiv mit der Zeit von 1933-1945, denn abseits von Krieg, Wahnsinn, Rassenwahn und Völkermord ist das "deutsche Trauma" gewissermaßen auch eines des hiesigen Kinos. Das deutsche Kino versucht sozusagen postwendend neben dem historischen Irrsinn auch zu begreifen, wie die einst große "Film-Nation" Deutschland während und nach den Dreißigern Jahren in der völligen Bedeutungslosigkeit versinken konnte. Die Fünfziger Jahre waren dann zunächst einmal im wesentlichen geprägt von seichten "Heile Welt"-, Abenteuer- und Kriegsfilmen. Komödien, Historienfilme und Bergfilme waren allgegenwärtig. In den Sechziger Jahren wurde die Genre-Palette dann erfolgreich um Kriminalfilme, Thriller, Westen und Agentenfilme erweitert. Prägende Mainstream-Regisseure hier waren
Paul May (
08/15, Via Mala),
Harald Reinl (
Der Schatz im Silbersee, Die Nibelungen),
Werner Jacobs (
Die lustige Witwe, Das fliegende Klassenzimmer),
Alfred Vohrer (
Das Gasthaus an der Themse, Lange Beine - Lange Finger),
Franz Josef Gottlieb (
Die Gruft mit dem Rätselschloss, Im Reich des silbernen Löwen) und
Jürgen Roland (
Heißer Hafen Hongkong, Polizeirevier Davidswache).
Demgegenüber entwickelte sich langsam und in der Breite eher behäbig, das deutsche Anspruchskino mit Vertretern wie
Helmut Käutner (
Des Teufels General,
Monpti),
Wolfgang Staudte (
Die Mörder sind unter uns,
Kirmes),
Kurt Hoffmann (
Drei Männer im Schnee,
Wir Wunderkinder),
Bernhard Wicki (
Die Brücke,
Morituri),
Gerd Oswald (
Am Tag, als der Regen kam,
Schachnovelle) und
Robert Siodmak (
Die Ratten,
Nachts, wenn der Teufel kam), die sich fast allesamt im Herbst ihrer Karriere befanden. Nicht umsonst spottete
Fritz Lang in den Sechziger Jahren:
"Aus Deutschland wird nie wieder ein guter Film kommen!" 1962 begann mit dem "Oberhausener Manifest" die Zeit der
jungen Wilden und des "Neuen Deutschen Films":
Alexander Kluge, Edgar Reitz, Peter Schamoni, Rudolf Thome, Peter Zadek, Johannes Schaaf, Roland Klick, Hark Bohm und
Hans W. Geissendörfer sind hier vor allem zu nennen. Am größten war jedoch der Einfluss von
Wim Wenders (
Der amerikanische Freund,
Paris, Texas),
Volker Schlöndorff (
Baal,
Die Blechtrommel) und vor allem von
Rainer Werner Fassbinder (
Die Ehe der Maria Braun,
Lili Marleen).
Werner Herzog (
Aguirre, der Zorn Gottes,
Stroszek) gehörte zwar zu dieser Generation und "Stilrichtung", stand jedoch von Beginn an eher etwas abseits.
Das junge deutsche Kino hatte jedoch einen schlechten Zeitpunkt erwischt. Mit dem Siegeszug des Fernsehens und den stetig sinkenden Besucherzahlen geriet das europäische und damit auch das deutsche Kino um 1970 in eine schwere Krise. Viele Firmen meldeten Konkurs an und der Genre- und Kommerzfilm starb fast vollständig aus. Trotzdem gelang es dem "Neuen Deutschen Film" sich zu etablieren und rund eine Dekade erfolgreich zu sein. Mit dem Tode Fassbinders 1982 ging diese Zeit zu Ende. Wenders, Schlöndorff und Herzog konzentrierten sich in der Folge mit Erfolg auf ihre internationale Karriere. Zugleich begann mit
Bernd Eichinger ein junger Produzent dem deutschen Kino wieder langsam Leben einzuhauchen. Mit ihm kamen Regisseure wie
Ulrich Edel (Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Letzte Ausfahrt Brooklyn), Wolfgang Petersen (Das Boot, Die unendliche Geschichte), Roland Emmerich (Stargate, Godzilla), Doris Dörrie (Männer, Bin ich schön?) und
Dominik Graf (
Drei gegen Drei, Die geliebten Schwestern). Nachdem Edel, Petersen und Emmerich schnell ihr Heil in der Fremde zu suchen begannen, verblieb in Deutschland nur Dominik Graf, der mit Filmen wie
Die Katze und
Die Sieger erfolglos versuchte, den Genrefilm wieder auf den Weg zu bringen.
Gleichzeitig begannen unter anderem die Karrieren von
Sönke Wortmann (
Der bewegte Mann,
Das Wunder von Bern),
Caroline Link (
Nirgenwo in Afrika,
Im Winter ein Jahr),
Oskar Roehler (
Die Unberührbare,
Der alte Affe Angst),
Oliver Hirschbiegel (
Das Experiment,
Der Untergang),
Stefan Ruzowitzky (
Anatomie,
Die Fälscher),
Hans-Christian Schmid (
23 - Nichts ist so wie es scheint,
Lichter) und
Tom Tykwer (
Lola rennt,
The International). Die Neunziger Jahre waren dann geprägt von Neuverfilmungen und Komödien. Mit der Jahrtausendwende kamen dann DritteReichs-Dramen vermehrt dazu, während die diversen Versuche im Horror-Genre - wie von
Pille erwähnt - nicht wirklich von Dauer waren. Auch die Komödienschiene - maßgeblich durch den gewaltigen Erfolg der Filme um den Ostfriesen
Otto Waalkes angeschoben - erhielt in den letzten 15 Jahren massiven Zuwachs durch die Filmemacher und Hauptdarsteller
Michael Herbig, Til Schweiger, Matthias Schweighöffer und
Elyas M’Barek. Zumindest letzteres darf als Kuriosum gelten. Immerhin fallen im Ausland die Worte "Deutschland" und "Humor" selten im selben Zusammenhang...
Neben dem Fehlen des oben erwähnten "Mittelbaus", hat das deutsche Kino aus meiner Sicht noch ein anderes Problem: Es gibt hierzulande unter den Filmemachern nur noch Realisten, aber keine Visionäre mehr...