DER MANN MIT DEM GOLDENEN COLT
1974, weil Roger Moores Debüt ein voller Erfolg war, wollte man so schnell wie möglich nachlegen. Heißt, nicht ganze zwei Jahre auf den nächsten Bondfilm warten zu müssen. So kam nach der Premiere von „Leben und sterben lassen“ im Juli 1973, dieser Nachfolger bereits im Dezember 1974 in die Kinos. Man konnte als Bonds Gegenspieler, der titelgebenden Figur, sogar eine echte Legende des britischen Kinos und der berühmten Hammer-Studios verpflichten.
Film:
Dieser Beitrag der Reihe hat es bei mir nicht ganz so leicht, entstand er doch genau zwischen zwei meiner absoluten Favoriten. Hat „Leben und sterben lassen“ ja schon in meiner Kindheit bei mir Eindruck hinterlassen und ist „Der Spion, der mich liebte“ meine Nr. 1, fehlt es „Der Mann mit dem goldenen Colt“ doch besonders an großen Actionszenen. Außer dem berühmten Autostunt an der kaputten Brücke, bleibt da aus dieser Richtung nichts hängen.
In diesem Film ist die Menschheit auch nicht direkt bedroht. Francisco Scaramanga ist ein Profikiller und die Gefahr besteht hier lediglich für Bond.
Daraus bezieht sich die Stärke des Films, nämlich das Duell Bond gegen Scaramanga, welches zum Schluss auch in solchem mündet und für mich persönlich eines der besten Finals der Bondhistorie ist. Hier zeigt sich, dass es auch ohne große Actionszenen und Explosionen machbar ist.
Die Spannung resultiert aus der direkten Konfrontation, dem Bewusstsein der Zuschauer wie Scaramangas „Fun House“ funktioniert Stichwort Alfred Hitchcock und der Unterschied zwischen Suspense und Surprise, plus der Musik John Barrys.
Bis zum ersten Aufeinandertreffen ermittelt Bond erstmal und will Scaramanga ausfindig machen.
Was ich aber ein wenig Schade finde, ist der Subplot um den Solex Aggregator.
Das hat man damals, nach der ersten Ölkrise 1973, noch schnell mit ins Drehbuch gepackt und das merkt man.
Ich störe mich auch nicht wirklich an den Humor, wie Hips Karate- Nichten, Sheriff Pepper, Bond gegen Schnickschnack oder ähnlichem.
Es fehlt mir aber hier und da ein wenig das Spektakuläre, dennoch hat der Film andere Stärken, welche ich in den nachfolgenden Punkten meines Resümees darlege.
Bond:
Die erste Stärke und hier gehe ich gerne bewusst in Konfrontationsmodus mit gefühlt 90 % der anderen Bondfans.
Für mich überzeugte Moore schon im ersten Film, von wegen er fand erst mit seinem dritten Film zur eigenen Stärke. Hier empfinde ich Moores Performance nach der in „Der Spion, der mich liebte“ am besten, eben weil er nicht immer der liebe Kerl ist, sondern selbstbewusst seine Arroganz ausspielen lässt, dabei noch jung, frisch und agil wirkt. Ich nehme ihm hier seine Womanizer Qualitäten ab und sehe auch den Gentleman-Killer in ihm.
Berüchtigte Szene mit Andrea Anders hätte nicht sein müssen, aber das gilt für alle Bonddarsteller. Zudem sehe ich es, wie bei Connerys Ohrfeige gegen die Romanova pragmatischer: dort war es die Wut nach Kerims Tod, hier bangt Bond um sein Leben und auch da staut sich eine Wut auf.
Alles in allem sollte Bond gegenüber eines „Good Girls“, was er aber hier noch nicht wissen kann, nie wieder so grob sein.
Für mich funktionieren auch alle Oneliner Bonds und gerade im Zusammenspiel mit Christopher Lee sieht man mehr als nur den locker flockigen Roger Moore. Denn nicht erst 1981 zeigte Moore seine seriöse Seite als Bond. Endgültig wirkt das im Zusammenspiel mit Christopher Lee, in der Bond nicht mehr so zu spaßen zu Mute ist. Er weiß, dass er es mit einem anderen Profi seines Kalibers zu tun hat.
Bondgirl:
In dem Jahr, in der die schwedische Popgruppe ABBA miit Waterloo den endgültigen Durchbruch hatte, durften auch gleich zwei ihrer Landsdamen in einem Bondfilm die beiden Haupt-Bondladies geben.
An erster Stelle haben wir hier Britt Ekland, die damalige Ehefrau von Peter Sellers. Optisch: blond, blauäugig, gutaussehend, wie sich viele Schwedinnen vorstellen. Und ja, ich finde die Britt Ekland aus den 60er und 70er Jahren sehr attraktiv. Allerdings ist ihr Charakter Mary Goodnight doch sehr parodiehaft ausgelegt. Ihr Verhalten zum Beispiel, dass Sie recht eifersüchtig auf Bonds Techtelmechtel mit anderen Damen reagiert, das Sie Schnickschnack unnötig folgt und somit wieder von Bond gerettet werden muss. Ichh finde Ekland dennoch irgendwie bezaubernd. Das reicht nicht für Topplatzierungen oder die Top 10, aber es gibt schlimmeres als sich an Goodnight zu stören. Und was wäre der Film ohne den Goodnight Gag am Ende des Films?
Zu Gute kommt ihr auch, dass Sie und Moore den geringsten Altersunterschied zu einander hatten.
Moore sah gut aus, Ekland sah gut aus: passt.
Ähnlich verhält es sich mit Maud Adams als Andrea Anders. Allerdings ist ihr Charakter doch wesentlich geheimnisvoller und interessanter ausgelegt. Ist Sie doch von ihrem „Liebhaber“ Scaramanga und seinen sexuellen Fantasien eher angewidert und gibt sich Bond „für jeden Preis“ hin.
Das dies nicht gut gehen kann und somit ihr Schicksal kein Happy End mit Bond vorsieht, ist die Konsequenz ihres wagemutigen Spiels.
Anscheinend hat sich Roger Moore besonders gut mit Maud Adams vertragen, bezeichnete er Sie doch häufig als seine Lieblings-Filmpartnerin. Beide sollten bis zum Tod Moores freundschaftlich verbunden sein und Maud Adams durfte ca. 9 Jahre später dann sogar zur Leading Lady aufsteigen.
Villains:
Die nächste Stärke des Films: Christopher Lee als titelgebender Mann namens Francisco Scaramanga.
Für mich Top 3 Schurke der gesamten Bondfilm-Reihe und das alleine schon wegen des Charismas, der Aura seines Darstellers. Christopher Lee bleibt für mich eine Legende, die Ikone des britischen und stilsicheren Grusels. Er wird für mich ewig der beste Dracula Darsteller bleiben, er war der Saruman in „Herr der Ringe“ und durfte auch in „Star Wars“ als Count Dooku darstellerischen Glanz im nicht ganz so berauschenden „Angriff der Klonkrieger“ sein. Zudem wirkte er in der britischen Kultserie „Mit Schirm, Charme und Melone“ mit, war Sir Henry Baskerville, Mycroft Holmes, sogar Sherlock Holmes selber und Frankensteins Monster. Was für eine Karriere.
Lee vermochte es eine aristokratische, mal charmante, mal sinistere Ausstrahlung an den Tag zu legen. Sein Scaramanga ist auf Augenhöhe mit Bond, er sieht sich sogar auf einer Ebene mit Bond, was deren Charakter betrifft, nur um von Bond in einem Aspekt korrigiert zu werden.
Ich finde Christopher Lee sogar gut, wenn er keinen Text hat. Sein stechender Blick reicht schon aus.
Dazu gesellt sich der kleinwüchsige Hervé Villechaize als Scaramangas treuer Butler, Koch, Haushälter und Komplize. So klein wie er ist, so verschlagen ist auch sein Schnickschnack (original: Nick Nack).
Auch wenn er sagt, dass er Scaramanga eines Tages gerne beerben möchte ist er ihm treu und will sich zum Schluss sogar an Bond rächen, was dann aber eher in Richtung Comedy statt Suspense geht.
Eine erinnerungswürdige Figur, dank der Statur und des Charakters, aber nicht wirklich furchteinflößend und deshalb nicht auf einer Stufe mit den großen Henchman Grant, Oddjob, Beißer oder auch Gobinda und Necros. Er ist eher Scaramangas Compagnon.
Helfer:
Lt. Hip, den wir das erste Mal in Hongkong kennenlernen und der Bond bis Bangkok ein Verbündeter sein soll. Ein sympathischer Kerl, aber man fragt sich doch, ob er wirklich eine Hilfe ist. Die Szenerie vor dem Bottoms-Up oder als er mit seinen Nichten davonbraust. Überhaupt, wenn eine Szene in einem Bondfilm merkwürdig ist, dann doch diese. Erst eilen Sie Bond zur Hilfe, dann verschwinden Sie ohne ihn. Da verdrehen sich auch bei mir jedes Mal die Augen.
Sheriff Pepper ist zurück und darf hier mal so etwas wie einen Helfer mimen und Bond besonders wortstark zur Seite stehen…höchstens.
Auch hier gibt es einige, die schon mit Sheriff Pepper in „Leben und sterben lassen“ nicht viel anfangen konnten, und dann die, die mit seinem ersten Auftritt klarkamen, hier aber nicht mehr.
Ja, es ist wohl so, auch hier gehe ich konträr. Sheriffs Pepper Figur hätte nicht sein müssen, auch ohne ihn würde die Verfolgungsjagd funktionieren, aber ich höre gerne Sätze wie:
„Ja, jetzt erkenne ich Sie wieder. Sie sind der Geheimagent. Der englische Geheimagent aus England.“
Insgesamt sind diese Helfer aber nicht auf dem Niveau eines Felix Leiter, Kerim Bey oder Marc Ange Draco.
MI6:
Bernard Lees M ist hier wesentlich häufiger zu sehen als in „Leben und sterben lassen“ und auch Desmond Llewelyn ist als Q zurück und darf mit M außerhalb Londons agieren.
Lediglich Miss Moneypenny sieht man hier nur in ihrem Vorzimmer.
Respekt gebührt wieder Bernard Lee. Seinen M nehme ich jedes Mal die Autorität ab und er wirkte auch in keinem Bondfilm gelangweilt. Hier darf er Bond mit einem ironisch zynischen Kommentar zu Beginn des Films sogar den Schneid abkaufen, als Bond ihn fragt „wer denn schon sein tot wolle“.
Überhaupt mag ich dieses erste Briefing und Moores Gesichtsmimik zu Ms Kommentaren.
Lois Maxwell ist wieder ein ganzes Jahr älter, die kleinen erotischen Flirtspiele der Bondfilme aus den 60ern ist somit vorbei, auch wenn sich beide gerne mit „Schatz“ titulieren, aber man merkt hier eher eine Verbundenheit, man kennt und schätzt sich. Das trifft sich, da Lois Maxwell in der Tat Sir Roger lange kannte und auch in zwei Folgen „The Saint“ mitspielte.
weitere Bondgirls:
Zwar gibt es noch die Bauchtänzerin Saida mit ihrem „Bill“ und Hasch-Misch (original Chew Mee, welch Wortspiel) im Swimming Pool Hai Fats, aber viel Einsatz sei Ihnen nicht vergönnt. Da Anders doch eine stärkere Position innehat, habe ich Sie für diesen Film zu den Main Girls erkoren.
Location:
Exotik pur. Bond reist nach Osten, in den fernen Osten, mit kleinem Zwischenstopp in Beirut. Dort trifft er auf Saida und den ersten Hinweis auf Scaramanga. Beirut wird aber nur behauptet, vielmehr handelt es sich um eine Studioaufnahmen vom Nachtklub und Qs Labor (in Beirut?). Von dort aus reist Bond nach Macao. Dort trifft er auf den Hersteller der Kugeln. Erstmals bekommen wir auch etwas vom fernöstlichen Gefühl mit, trifft Bond doch auf einige der Menschen und ist wirklich in Macao anwesend. Aber auch Macao ist nur Zwischenstopp, so reist Bond weiter nach Hongkong, wo die Kugeln an einer weiteren Person übergeben werden: Miss Anders.
Hongkong ist somit erster Hauptort des Films. Im späteren Verlauf macht sich Bond auf nach Thailand/Bangkok. Hongkong und Thailand werden meiner Meinung nach sehr gut eingefangen, von der Szenerie beim Bottoms Up und anschließender Bootstour entlang Hongkongs Hafen (man beachte das Bayer Kreuz im nächtlichen Honkong) oder auch Bonds Ankunft mit der gekenterten RMS Queen Elizabeth, paar Jahre zuvor in Seawise University umbenannt.
Später in Thailand, die prächtigen Bauten, wie das Anwesen Hai Fats, die Khlongs in Bangkok und natürlich die Inselgruppe, auf der sich Scaramanga versteckt hält: Damals vielleicht noch ein Geheimtipp, aber seit dem Film auch offiziell James Bond Island genannt. Eine prächtige Location. Wer möchte da nicht Zuflucht suchen?
Ein letztes Mal ist Ted Moore, her in Zusammenarbeit mit Oswald Morris, der Kameramann. Auch wenn seine beiden Vertretungen Freddie Young und Michael Reed noch spektakulärere Bilder lieferten, war Ted Moore immer in der Lage die Quintessenz der Locations herauszukitzeln und tolle Bilder zu liefern. Bonds Anflug auf Scaramangas Versteck ist ein Augenschmaus par excellence. Vielen Dank.
Setting/Bauten/Design:
Ken Adam ist abwesend, er war wohl schon zu sehr in Kubricks „Barry Lyndon“ involviert und Syd Cain, der bisherige Stellvertreter, hatte mit „Leben und sterben lassen“ seinen letzten Einsatz. Hier sollte Peter Murton hauptverantwortlich sein.
In Erinnerungen bleiben das Interieur der Seawise University (die gekenterte RMS Queen Elizabeth) und natürlich Scaramangas Heim, erbaut inmitten eines der berühmten Felsen vor der thailändischen Küste, mitsamt seines Fun House, in dem er pflegt sich fit zu halten und seine Kontrahenten als Trainingsobjekt dienen.
Musik:
Meiner Meinung nach komplett unterschätzt. Sicher, nicht so epochal wie „You Only Live Twice“ oder „Moonraker“, nicht so innovativ wie „On Her Majesty’s Secret Service“, nicht so funky wie „Live And Let Die“, dennoch bietet der Score wieder einige Ohrwürmer und hat gleich zwei absolute Highlights im Repertoire:
„In Search Of Scaramanga’s Island“ – ich schrieb schon oben, Bonds Anflug ist ein Augenschmaus, hinzu kommt dieser Ohrenschmaus. Für mich ein Gedicht. Aber auch ohne Bilder funktioniert dieses verträumte Stück wunderbar.
„Return to Scaramanga’s Fun House“ – wieso dieser und nicht das frühere Stück von der Pre-Title Sequence? Weil dies, genau wie im Film, die absolute Klimax darstellt. Symptomatisch dafür die absolut herausragenden letzten 1, 5 Minuten, in der die Spannung, die Anspannung stetig steigt. Man spürt schon beim Hören förmlich die Bedrohung. Etwas, was ein Ennio Morricone mit seinem „Triello“ (The Trio) in Finale von „The Good, The Bad and The Ugly“ ebenfalls zelebrierte.
Auch Lulus Titelsong wird mir häufig zu schlecht gemacht. Ich habe weiß Gott schlimmeres gehört und es ist, verdammt nochmal, ein Ohrwurm.
Main-Title:
Erst im letzten Drittel ist eine Binder-typische schwarze Silhouette einer Frau zu sprühenden Feuerfunken rhythmisch zum Titellied tanzend zu sehen. Ansonsten sieht man die Damen klar, es dominiert das Thema Wasser, was mir im Gegensatz zu „Feuerball“ allerdings nicht ganz so ersichtlich ist.
Außerdem sieht man den titelgebenden „Golden Gun“ und gegen Ende die Finger einer Frauenhand am Pistolenlauf entlanggleitend, was eine sexuelle Andeutung darstellen soll. Thema Scaramanga und Beziehung zu Anders?
Zusammen mit der Musik harmoniert das aber. In Verbindung mit dem Titelsong wirkt das Ganze auf mich catchy und ich kann damit sehr gut leben. Es macht Lust auf den Hauptfilm, das ist wichtig.
Wertung des Komplettwerks:
Der hatte bei mir nie eine Chance in die Top 4 der Moore Filme zu steigen, er schwankte bei mir immer Moore-intern auf die Plätze 5-7, momentan gebührt Platz 7 aber eindeutig einem anderen Film. Trotz der fehlenden Actionszenen, der großen Bedrohung, habe ich dank der Location, der Musik und der Darsteller Spaß. Da öden mich ein „Diamantenfieber“ und einige Bondfilme seit den 90ern mehr an. Nein, ich sehe diesen Film auch immer wieder gerne. Es ist wohl auch eine gewisse Leichtigkeit, die dieser Film ausstrahlt.
7/10